Mosaik
befand sich in der Öffnung. Wenn sie es jetzt auch noch um den Rand schaffte, war alles überstanden.
Sie streckte die rechte Hand an der Kante vorbei und suchte nach etwas, das Halt bot. Doch ihre Finger strichen nur über glatten Fels.
Panik quoll in ihr empor, und sie spürte, wie ihr Herz jäh schneller schlug. Nur mit Mühe gelang es ihr, den emotionalen Aufruhr im Zaum zu halten, sich wieder zu beruhigen. Es mußte einen Weg geben. Hobbes befand sich dicht hinter ihr und stieß mehrmals gegen ihre Füße.
Kathryn achtete darauf, daß die rechte Hand festen Halt hatte, als sie sich umdrehte, bis ihr Gesicht zur Wand zeigte – auf diese Weise konnte sie den linken Arm weiter ausstrecken als zuvor den rechten.
Die linke Hand fand eine Kerbe im Fels, gerade breit genug für die Finger. Konnte sie sich dadurch ganz aus dem Kanal herausziehen?
Sie wartete einige Sekunden lang und atmete mehrmals tief durch, bevor sie einen Versuch wagte. Dann spannte sie die Muskeln und zog sich nach vorn, blieb gleichzeitig bemüht, den Körper so dicht an der Felswand wie möglich zu halten. Kurze Zeit später war sie außerhalb der Öffnung, und dort erlaubte es ihr die wesentlich schwächere Strömung, von dem Loch
fortzuschwimmen.
Sie sah zurück, um festzustellen, ob Hobbes ihr folgte.
Es schien ziemlich viel Zeit zu vergehen. Die Kälte bescherte Kathryn eine sehr unangenehme Benommenheit, und sie dachte daran, daß sie nicht sofort zur Wasseroberfläche zurückkehren durfte – beim Weg nach oben mußten Dekompressionsphasen beachtet werden. Komm schon, Hobbes, dachte sie. Du kannst es ebenfalls schaffen. Sie blickte zur dunklen Öffnung, der sie entkommen war, trachtete danach, dem Jungen allein mit der Kraft ihres Willens zu helfen.
Kurz darauf sah sie ihn. So wie zuvor Kathryn rollte er um die Kante und blieb in unmittelbarer Nähe der Wand, bis er sich so weit von dem Loch entfernt hatte, daß die Strömung keine Gefahr mehr darstellte. Sie wechselten stumme Blicke, vollführten Gesten der Freude und stiegen so rasch auf, wie es ohne Risiken möglich war.
Zehn Minuten später erreichten sie die Wasseroberfläche, kletterten auf die Plattform, trockneten sich dort ab und genossen den warmen Sonnenschein. Sie aßen, tranken und lachten, glücklich darüber, alles mit heiler Haut überstanden zu haben.
Als sie sich ausgeruht hatten, kletterten sie wieder die steile Felswand empor – was ihnen nach dem Abenteuer im See
geradezu lächerlich einfach erschien. Oben auf dem Plateau blieben sie noch einmal stehen und blickten zum glitzernden Wasser, das ihnen fast den Tod gebracht hätte.
Hobbes fing Kathryns Blick ein. »Du hast mir das Leben gerettet, Kath«, sagte er schlicht. »Das werde ich dir nie vergessen.«
Sie zuckte verlegen mit den Schultern. »Du würdest das gleiche für mich tun.«
»Ja, das würde ich«, erwiderte er, und etwas in seiner Stimme veranlaßte Kathryn, ihn neugierig zu mustern. Doch sein Gesicht verriet nichts.
Unbehagen regte sich in ihr. »Wir sollten jetzt besser zur Kolonie zurückkehren.«
»Das halte ich für eine gute Idee«, ertönte es scharf hinter ihnen.
Sie drehten sich um, und Kathryn sah ihren Vater. »Was ist nur in euch gefahren? Dir wißt doch, daß die Steinbrüche für euch verboten sind.«
»Es ist meine Schuld, Sir«, sagte Hobbes sofort. »Ich bin mit meinem Vater hiergewesen und habe Kathryn gebeten, mit mir zu schwimmen.«
Kathryn spürte den Blick ihres Vaters auf sich ruhen. »Nun?«
Einerseits hätte sie Hobbes’ freundliche Worte gern bestätigt, doch andererseits sah sie sich außerstande, ihren Vater zu belügen.
»Hobbes möchte mich schützen, und dafür bin ich ihm sehr dankbar, Dad. Ich habe Emma und Mary überredet, mich hierher zu begleiten. Hobbes kam später.« Sie sah zu dem Jungen.
»Danke.«
Vizeadmiral Janeway klopfte auf seinen
Insignienkommunikator, ergriff Hobbes und seine Tochter dann am Arm. »Janeway an Kontrollzentrum. Transferieren Sie drei Personen.«
Eine Sekunde später standen sie in der Zentrale. Mehrere Offiziere starrten verblüfft in ihre Richtung und lächelten –
bestimmt geschah es nicht häufig, daß sie hier junge Leute in Badekleidung sahen.
Kathryns Vater führte die beiden Jugendlichen in einen nahen Korridor. »Habt ihr mir sonst nichts zu sagen?« fragte er.
»Wir wollten nur ein wenig Spaß haben. Wir sind
geschwommen und ein wenig getaucht.« Kathryn hielt dem Blick ihres Vaters stand. Nein, Lügen
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