Mosaik
sich Kathryn an Cheb.
Er lächelte. »Das sind Bowlingbahnen«, sagte er. Offenbar sah er die Verwirrung in Kathryns Zügen, denn er fügte hinzu: »Jenes Spiel erfreute sich bis vor etwa hundert Jahren großer Beliebtheit.
Man rollt dabei eine schwere Kugel über solche Holzbahnen und versucht, zehn an ihrem Ende aufgestellte Kegel umzustoßen.«
Kathryn schüttelte den Kopf. Es klang lächerlich. Aber sie wußte: Die Menschen in vergangenen Epochen hatten sich mit den sonderbarsten Spielen amüsiert.
»Wer wohnte hier, Cheb? Und warum steht das Gebäude heute leer? Gehört es niemandem mehr?«
»Im einundzwanzigsten Jahrhundert wurde es von einem
reichen Amateurhistoriker erbaut. Er wollte ein richtiges irisches Schloß für die Frau, die er liebte – sie kam aus Irland. Deshalb gab er ein Vermögen aus und ließ ein solches Gebäude in Ohio errichten. Aber seine Geliebte wurde hier nicht glücklich. Sie fühlte sich zu weit von der Heimat entfernt, zu sehr von allem anderen isoliert. Sie wollte ihn verlassen, doch er flehte sie an, bei ihm zu bleiben. Er drohte ihr sogar. Eines Tages verschwand sie und wies in einem Abschiedsbrief darauf hin, daß sie nach Irland zurückkehren wollte. Er war so verzweifelt, daß er seine Sachen packte, auszog und diesem Ort für immer den Rücken kehrte. Seit dreihundert Jahren steht das Schloß jetzt schon leer. In seinem Testament verfügte er, einen Fonds einzurichten, dessen Geld dazu dient, hier alles instand zu halten, doch nach ihm wohnte hier nie wieder jemand.«
Sie dachten stumm darüber nach. Kathryn fand die Geschichte sehr romantisch, und ihrer Meinung nach paßte sie gut zu einem so imposanten Gebäude. Sie erschien ihr weder absurd noch unwahrscheinlich.
»Man munkelte damals, der enttäuschte Mann hätte seine Geliebte umgebracht und ihre Leiche hier im Haus versteckt«, fuhr Cheb fort. »Vielleicht im Keller.«
Kathryn sah ihn an. »Willst du uns Angst einjagen, Cheb?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich sage nur, was ich weiß.«
»Sehen wir uns den Rest an.« Anna ging zu der nach oben führenden Treppe, und die anderen folgten ihr, brachten eine Stufe nach der anderen hinter sich. Cheb und Kathryn bildeten den Abschluß. Erneut berührte er sie, hielt sie einige Sekunden lang zurück. Dann schob er sich näher heran und küßte sie.
Kathryn stellte erstaunt fest, wie weich ihr plötzlich die Knie wurden. Es handelte sich also nicht nur um leere Worte – so etwas konnte tatsächlich geschehen! Eine solche Wirkung erzielte Cheb Packer auf sie. Sie mochte das Gefühl und genoß die sehr intensiven Empfindungen, die sich in ihr regten. Die Sensibilität ihrer Fingerspitzen und Lippen schien sich zu verhundertfachen.
Es fühlte sich fast so an, als explodierten kleine
Feuerwerkskörper darin.
Sie folgten den anderen nach oben, fanden sie in einem großen, ebenfalls holzvertäfelten Eßzimmer. Tücher bedeckten Tische und Stühle, verliehen der Umgebung etwas Geisterhaftes. Auf der einen Seite zeigte sich ein großer marmorner Kamin; verblaßte Klee- und Distel-Muster schmückten die Decke.
Die jungen Leute zogen die Tücher fort, öffneten ihre
Matchbeutel und holten alles Notwendige für ein Picknick hervor.
Darin bestand ihr Plan: Sie wollten in einem irischen Schloß speisen. Sie hatten Suppe, Brötchen und von Kathryns Mutter gebackenen Karamelkuchen mitgebracht. Blake zündete Kerzen an, und in ihrem flackernden Schein nahmen sie an einem Tisch aus massivem Holz Platz, dessen Beine in den Nachbildungen von Bärenkrallen endeten.
»Mit ziemlicher Sicherheit beginnt im Herbst für jeden von uns das Studium an der Starfleet-Akademie«, sagte Cheb. »Ich schlage daher vor, daß wir dieses Essen wiederholen: nächsten Februar in San Francisco.« Er griff in seinen Beutel und holte eine Flasche Wein hervor. »Trinken wir darauf.«
»Das ist doch sicher Synthehol, oder?« fragte Anna.
»Es handelt sich um echten Pinot Noir aus Nordkalifornien.«
Cheb schüttete etwas Wein in eine Tasse, schnupperte daran und gab sich als Kenner.
Kathryn wußte nicht recht, was sie von Alkohol halten sollte.
Sie hatte ihn nie probiert. In Hinsicht auf Synthehol war sie zu einigen Experimenten bereit gewesen, weil man dabei die Kontrolle behalten konnte. Bei Alkohol hingegen lag der Fall anders, und deshalb hielt sie ihn für gefährlich.
Cheb probierte einen Schluck, befand den Wein für in Ordnung und schenkte dann auch den anderen ein. Kathryn wartete
Weitere Kostenlose Bücher