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Mosaik

Mosaik

Titel: Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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verstehen. Die Fremde erschien ihr sehr alt. Das lange Haar war grau, der Körper wie ausgemergelt.
    Silben reihten sich aneinander, »…meine Schande…«, hörte Kathryn, und: »…niemals…« Doch der Rest blieb wirr und unverständlich.
    Die Frau schwang den Leuchter erneut und warf ihn.
    Kathryn spürte den Luftzug, als er dicht an ihrem Kopf vorbeiflog. Der Geruch von brennendem Talg stieg ihr dabei in die Nase. Der schwere Gegenstand fiel auf die Treppe, ohne daß die Kerzen erloschen. Cheb befand sich einige Meter hinter den anderen und sprang über den Leuchter hinweg. Kathryn verharrte, um auf ihn zu warten, drehte sich um und sah, wie erste kleine Flammen über die Wandbehänge weiter oben züngelten.
    Sie wußte: Das Schloß war in einer Epoche errichtet worden, als das Gesetz für Neubauten noch keine wirkungsvollen
    Feuerschutzsysteme vorgeschrieben hatte. Und die alten Vorhänge und Holzmöbel würden wie Zunder brennen. Die
    Flammen fanden reichlich Nahrung und kletterten rasch höher; eine dichte Rauchwolke bildete sich. Kathryn blickte nach oben.
    Die Alte hob die Faust zum Mund, starrte in Richtung Feuer und wich durch den Flur zurück.
    »Wir dürfen nicht zulassen, daß sich das Feuer weiter ausbreitet, Cheb«, sagte Kathryn. Die zuvor empfundene Panik wurde von Verantwortungsbewußtsein verdrängt. »Die Frau säße da oben in der Falle und hätte keine Chance.«
    Blake und Anna liefen nicht mehr fort, kehrten langsam über die Treppe zurück. Inzwischen hatte die Glut einen Wandbehang erfaßt.
    »Also los«, sagte Cheb, und sie alle eilten zu den Flammen.
    »Reißt die übrigen Vorhänge herunter – wir benutzen sie, um das Feuer damit zu ersticken.« Blake und Anna reagierten sofort, während sich Cheb und Kathryn dem brennenden Vorhang
    zuwandten. Sie griffen danach und versuchten, ihn von der Halterung zu lösen. Ruß und Asche klebten an ihren Händen fest, und in dem Qualm fiel das Atmen schwer. Sie husteten beide.
    Plötzlich löste sich der brennende Stoff und fiel ihnen entgegen.
    Cheb gab Kathryn einen Stoß, und sie taumelte die Treppe hinunter. Sofort sprang er ihr nach, um nicht unter die Flammen zu geraten. Trotzdem wurde er von dem Vorhang am Kopf
    gestreift, und Kathryn beobachtete entsetzt, wie sein Haar zu brennen begann.
    Sie eilte zu ihm, klopfte ihm mit beiden Händen auf den Kopf und erstickte das Feuer. Sie spürte einen Schmerz, doch sie weigerte sich einfach, ihn bewußt zur Kenntnis zu nehmen.
    »Laßt uns vorbei!« Blake und Anna trugen einen Vorhang, den sie von der Wand gelöst hatten, warfen ihn auf das brennende Tuch und sprangen dann darauf herum, um das Feuer zu
    ersticken.
    Wenigen Minuten später loderten keine Flammen mehr, und die dichten Rauchwolken lösten sich allmählich auf.
    Rußverschmutzt und erschöpft nahmen die jungen Leute auf den Treppenstufen Platz, um wieder zu Atem zu kommen. Erneut blickte Kathryn nach oben und sah die blasse Miene der Alten, die das Geschehen stumm beobachtet hatte. In ihren Augen flackerten Angst und Hilflosigkeit.
    Die Fremde wich noch weiter in den Flur zurück, geriet dadurch außer Sicht.
    Das Feuer, die Gefahr, der Erfolg ihrer Bemühungen – dies alles vertrieb die letzten Reste der zuvor empfundenen Furcht aus Kathryn. Sie stand auf, blickte dabei auch weiterhin nach oben.
    »Was hast du vor?« fragte Cheb in einem scharfen, autoritären Tonfall.
    »Ich möchte herausfinden, wer die Alte ist und was sie hier macht.«
    »Wir müssen fort.«
    »Dw wolltest doch feststellen, was sich in dem Zimmer
    befindet.« Kathryn ärgerte sich über Cheb; er neigte dazu, alles kontrollieren zu wollen.
    »In fünfzehn Minuten müssen wir am Transferort sein. Uns bleibt keine Zeit mehr.«
    »Geht ohne mich. Du kannst später einen zweiten Transfer durchführen.«
    »Nein, das kann ich nicht. In dem Fall ließe es sich kaum vermeiden, daß jemand von der unbefugten Benutzung des Transporters erfährt.«
    »Dann müssen wir das eben akzeptieren. Nach dem Feuer kann ich die Alte nicht einfach hier zurücklassen, ohne zu wissen, wer sie ist und ob sie Hilfe braucht.«
    Kathryn hielt Chebs Blick stand und begriff dabei, daß es zwischen ihnen noch nie zu einer Konfrontation gekommen war.
    Sie hatte sich ihm immer gebeugt, ihm immer die letzte Entscheidung überlassen. Ein oder zwei Sekunden lang zweifelte sie an sich selbst. Hatte er recht? War es dumm, an diesem Ort zu verweilen, wenn sie innerhalb weniger Minuten in Sicherheit sein

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