Mosaik
jemals in der Lage gewesen war, über seine Kindheit zu lachen – ein deutlicher Hinweis darauf, wie wohl er sich in ihrer Nähe fühlte. Sie freute sich, als sie beobachtete, wie ihr Vater und Admiral Finnegan auf ihn reagierten: Sie mochten und respektierten ihn. Und was ihr noch wichtiger erschien: Sie fanden Gefallen an seiner Gesellschaft.
Justins Stimme unterbrach Kathryns Überlegungen. »Wir
nähern uns jetzt dem Tau Ceti-System, Sir.«
»Bereiten Sie die Aktivierung der Warpdüsen vor«, erwiderte Kathryns Vater.
Die Terra Nova war für den Einsatz unter verschiedenen Kampfbedingungen bestimmt. Zu den Innovationen dieses
Schiffes gehörten Warpdüsen, die schnelle Manöver erlaubten, ohne das volle Potential des Warptriebwerks nutzen zu müssen.
Sie ermöglichten es, gefährliche Situationen mit einem raschen Sprung zu verlassen und aus einer für den Feind unerwarteten Richtung zurückzukehren. Computersimulationen hatten auf erhebliche Belastungen der Außenhülle durch solche Manöver hingewiesen, doch Edward Janeway war es gelungen, diese und andere Entwicklungsprobleme zu lösen.
Eine Stunde lang testeten sie die neuen Warpdüsen, die einwandfrei funktionierten. Kathryn sah, daß Justin die Kontrollen wie ein Künstler bediente. Während er die
komplizierten Manöver durchführte, schien er eins mit dem Schiff zu werden. Die Liebe für ihn schwoll in ihr wie ein lebendes Etwas an und hüllte sie in eine ganz besondere Wärme, die sie nie zuvor gespürt hatte. Eine irrationale Stimme in ihr flüsterte, daß sie ein solches Glück gar nicht verdiente.
»Der Sonnenwind wird stärker, Lieutenant«, sagte ihr Vater.
»Wir geben noch einmal Schub mit den Backborddüsen und kehren dann heim.«
»Aye, Sir. Den ersten Flug können wir als vollen Erfolg bezeichnen.«
Dann geschah alles so schnell, daß Kathryn selbst Jahre später nicht zu sagen vermochte, was passierte und in welcher Reihenfolge sich die Ereignisse zutrugen. Sie hörte erneut die Stimme ihres Vaters. Er sagte: »Sonnenwind ist…« Und dann fiel sie plötzlich durchs All, spürte dabei eine sonderbare Kühle, die sie jedoch nicht beunruhigte. Sie hatte das Gefühl, in einer Hängematte zu liegen, die langsam hin und her schwang, verglich sich mit einem Stück Papier, das im Wind tanzte, dabei aber immer tiefer sank.
Kathryn gewann nicht den Eindruck, daß etwas Schreckliches geschehen war und sich eine Katastrophe anbahnte. Sie begegnete der eigenen Situation mit Neugier, fühlte sich aber nicht von ihr beunruhigt. Der Fall war sehr sanft, und sie wünschte sich fast, daß er nie zu Ende ging.
Der schwebende Sturz setzte sich fort.
Dann hörte Kathryn das Zischen von Luft, und ein heftiger Aufprall jagte so heftigen Schmerz durch ihren Körper, daß sie befürchtete, sich alle Knochen gebrochen zu haben. Für einige Zeit blieb sie liegen und wartete darauf, daß die Pein nachließ, daß sich die Dunkelheit vor ihren Augen lichtete…
Sie konnte nichts sehen. Irgendwann reifte diese Erkenntnis in ihr heran. Nur Finsternis umgab sie, ein von Schmerz erfülltes schwarzes Universum, das mit ihrem Körper begann und endete.
Sie besann sich auf bestimmte geistige Übungen, um die Pein zu reduzieren – ohne Erfolg. Und schließlich resignierte sie, nahm die Agonie einfach hin.
Zeit verstrich. Sie wußte nicht, ob es Minuten oder Stunden waren, vermutete allerdings, daß sie immer wieder das
Bewußtsein verlor. Schließlich ließ der Schmerz nach, und neuerliche Ruhe breitete sich in ihr aus. Etwas schien sie zu betäuben – Endorphine, eine natürliche Reaktion des Körpers, dachte ein Teil ihres Selbst –, und sie spürte, wie erneut Bewußtlosigkeit nach ihrem Geist tastete.
Etwas befand sich in ihrem Mund. Und in ihrer Nase. Sie konnte nicht atmen, erstickte langsam. Deshalb zerfaserten ihre Gedanken. Andererseits… Es erschien Kathryn seltsam, daß sie den Vorgang des Sterbens ganz bewußt erkennen und analysieren konnte – ohne imstande zu sein, etwas dagegen zu unternehmen.
Sie hustete. Etwas Kaltes drang ihr in die Kehle, und sie hustete erneut, keuchte, schnappte nach Luft. Dadurch drang ihr noch mehr von der kalten Masse in den Mund. Sie wünschte sich zurück in den Kokon der Bewußtlosigkeit. Der Tod erschreckte sie nicht; das Leben empfand sie als weitaus schwieriger.
Aus einem Reflex heraus hob sie den Kopf und begriff: Sie lag mit dem Bauch nach unten in einer Schneewehe. Weiße Kristalle klebten an ihrem
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