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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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Damals war das Gasthaus ein beliebter Treffpunkt von Ungarn, Slowaken und anderen Bewohnern von jenseits der March. Der István kam öfter zum Wirt, anfangs mit einem Freund, zum Kartenspielen, später allein, um mich zu treffen. Er stammte aus einem Dorf bei Raab, Györ, wie es in Ungarn heißt, arbeitete als Geometer beim kaiserlichen Heer, bis er Schwierigkeiten mit einem Offizier bekam, der die Ungarn hasste. István musste den Staatsdienst quittieren und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Er schloss sich irgendwann einer Gruppe von ungarischen Freischärlern an, die ebenfalls schlechte Erfahrungen mit den Österreichern gemacht hatten. Sie müssen wissen, unser Gasthaus diente einige Zeit als Unterschlupf für diese Männer. Viele wurden steckbrieflich gesucht. István bekam mit, dass dort auch geschmuggelte Waffen verkauft wurden. Sie müssen mir glauben, dass mein István mit diesen Sachen nichts zu tun hatte. Er war ein redlicher und gesetzestreuer Mann, den nur die widrigen Umstände in schlechte Gesellschaft trieben.
    Da wir heiraten wollten, er jedoch kein Geld für einen Hausstand hatte, ließ er sich dann auf die Sache ein. Tschulnigg, der ebenfalls zu der besagten Gruppe von Freischärlern zählte, obwohl er eigentlich Österreicher ist, heuerte István für eine schöne Summe als Mittelsmann an. István sollte ihm zwei- oder dreimal helfen, Gewehre für die Freischärler zu besorgen. Da er einerseits ein ungarischer Patriot war, sich andererseits in seiner Situation keine andere Möglichkeit bot, an Geld zu gelangen, willigte er ein. István sagte mir jedoch nicht, wo er hinging und was seine genaue Aufgabe war. Er meinte, er müsse mich schützen, weshalb ich besser nichts über die Sache wissen sollte …«
    Moser hakte ein: »Wissen Sie vielleicht, für welchen Zweck die Waffen besorgt werden sollten? Hatte man vielleicht ein Attentat vor?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Aber mein István hätte nie etwas Unrechtes getan. Er hat alles nur für mich gemacht. Und nun ist er tot …«
    Miezi begann wieder zu weinen und Moser beschloss, seine Befragung hier abzubrechen; er hatte außerdem genug erfahren.
     
    Der Kriminalrat bat die Kasmüllerin, Miezi mit ins Haus zu nehmen und ihr einige Baldriantropfen zu verabreichen. Er nahm Stock und Hut und verließ die beiden Frauen mit den Worten: »Ich muss noch etwas erledigen …«
     
    Wieder auf der Straße, setzte er in Gedanken die bisher bekannten Teile des Rätsels zusammen: Da wurde also ein Ungar namens István Somody als Mittelsmann für einen Waffenschmuggel angeheuert. Auftraggeber war dieser Anton Tschulnigg. Man schickte Somody in die bayerische Pfalz, wo er auf einer Gleisbaustelle der Pfälzischen Ludwigsbahn in Nähe der französischen Grenze unter falschem Namen eine Arbeit annahm. Die von Tschulnigg georderten Waffen wurden in Einzelteilen in einer französischen Gewehrfabrik entwendet und über Kuriere, die höchstwahrscheinlich unter dem Bahnpersonal zu finden waren, in die Pfalz gebracht. Offensichtlich war die baustellenbedingte Langsamfahrstelle am östlichen Portal des Münchweiler Tunnels mitten im Wald eine gut geeignete Abwurfstelle. Von hier aus konnte Somody die abgeworfenen Gegenstände problemlos bergen und verschwinden lassen, sofern er rechtzeitig informiert wurde, mit welchem Zug die Lieferung erfolgte. Somody verbarg die Gegenstände, bis sie von Tschulnigg abgeholt wurden, der seinerseits den Weitertransport nach Österreich übernahm. Sicher war das gefundene Châtellerault-Gewehr nicht die einzige Waffe, die so nach Österreich gelangte. Vermutlich sollte das Gewehr kopiert und in Serie nachgebaut werden. Es bestand also die Möglichkeit, dass man in Ungarn einen Umsturz plante. Die zentrale Frage, die Moser jedoch beschäftigte, war nach wie vor ungelöst: Wer hatte István Somody alias Zoltán Koloman ermordet?

In der Marchaue
     
     
    Moser lenkte seine Schritte vorbei am Wirtshaus in Richtung Flussufer. Als er den Bahnübergang in der Nähe der Station erreichte, der den Ort von der Marchaue trennte, war der Schrankenwärter gerade im Begriff, die Schlagbäume herunterzukurbeln. Ein Güterzug aus Richtung Lundenburg rauschte durch, die Schranke blieb aber geschlossen. Das Läutwerk kündigte einen weiteren Zug aus der anderen Richtung an. Moser lief ungeduldig vor den Schranken auf und ab. Der Wärter beschwichtigte: »Ich werde die Schranken sofort wieder öffnen. Aber gleich fährt der Hofzug mit

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