Moser Und Der Tote Vom Tunnel
beteiligten Baufirmen beschäftigt war, sondern in dem Bautrupp, der direkt zur Bahngesellschaft gehörte. Nur so konnte er die nötigen Informationen beschaffen …«
»Werden Sie doch endlich konkret, Tschulnigg!«
»Unsere Organisation setzt sich aus ungarischen Nationalisten und anderen Personen, die ein Interesse daran haben, dass das kaiserlich-königliche Reich der Habsburger zerfällt, zusammen. Voraussetzung für den Umsturz sind jedoch leistungsfähige Waffen. Zu uns gehört zwar der Besitzer einer Waffenschmiede in Kroatien, die von ihm produzierten Gewehre sind jedoch vollkommen veraltet. Über einen Mann in Paris, den man als Makler bezeichnen könnte, hatte ich jedoch die Gelegenheit, an die neuesten Gewehre der französischen Armee zu gelangen. Allerdings wäre ein Schmuggel in großem Stil schnell aufgefallen, weshalb wir beschlossen, diese Gewehre nachzubauen.
Zu diesem Zweck wurden alle wichtigen Waffen aus Châtellerault in Einzelteilen besorgt und mit der Bahn nach Deutschland geschafft. Unserer Organisation gehören zwei Verbindungsmänner an, zwei Eisenbahner aus Lothringen. Anfangs waren sie alle zwei bei der französischen Ostbahn, vor drei Jahren wurde jedoch einer von ihnen zu den Pfälzischen Eisenbahnen versetzt. Beide Gesellschaften gehören Baron Rothschild in Paris, weshalb es öfter zum Austausch von Personal kommt. Die Tatsache, dass wir nun einen Verbindungsmann bei einer Eisenbahngesellschaft in Bayern hatten, war ein großer Glücksfall. So ließen sich unsere Waren sicher aus Frankreich in die bayerische Pfalz transportieren. Allerdings hatte die Sache einen Haken: Das französische Personal auf den Gepäckwagen der Schnellzüge fährt bis Metz. Dort, also schon auf dem Gebiet der Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen, übernimmt die Pfalzbahn den Dienst in den Gepäckwagen. Unser Mann bei der Pfalzbahn fährt jedoch nur bis Landau mit und begleitet den Gegenzug zurück nach Metz. Das Hauptzollamt in Landau untersucht die Wagen der Züge aus Frankreich noch einmal sehr gründlich. Wir mussten also eine Lösung finden, unsere Waren vor Landau aus dem Zug zu bringen. Und da kam uns das Arbeiterlager an diesem Tunnel sehr gelegen …«
»Verstehe. Und wie sollten die Waffen dann von dort aus hierher transportiert werden?«, wollte Moser wissen.
»Das war in der Tat nicht ganz einfach. István übergab mir die Gegenstände außerhalb des Lagers und ich transportierte sie in meinem Gepäck bis nach Donauwörth. Dort erfolgte dann die Übergabe an einen Frachtschiffer, der ebenfalls zu unserer Organisation gehört. Die Sache ging auch immer gut. Bis zu dem Problem mit dem M/74.84. Ausgerechnet die beste Waffe.
Üblicherweise ließ mir István eine Nachricht zukommen, sobald er die Ware erhalten hatte. Dieses Mal blieb die Nachricht jedoch aus. Da ich nichts von ihm gehört hatte, reiste ich nach einigen Tagen selbst in die Gegend, wo sich das Eisenbahnerlager befindet. Ich stellte Nachforschungen an und bekam über Umwege mit, dass István offensichtlich ermordet wurde.
Was aus dem Gewehr geworden war, konnte ich nicht herausfinden. Unser Mittelsmann teilte mir mit, dass er das Bündel zur verabredeten Zeit aus dem Gepäckwagen geworfen hatte. Die Ware musste also angekommen sein …«
»Das Gewehr haben wir …«, sagte Moser grinsend, »aber was können Sie mir über den Tod von Somody sagen?«
»Ich hoffte, in der Baracke einen Hinweis auf den Verbleib des Gewehres und das Schicksal meines Freundes zu finden. Vergeblich. Habe dann mehrere Tage im Lager und um das Lager herum gesucht. Der Schnee hatte zwar alles überdeckt. Auf einem Weg entdeckte ich jedoch Schleifspuren in der Schneedecke, die noch frisch waren. Sie führten mich zu einem kleinen Felsüberhang, unter dem ich den mit Moos und Reisig bedeckten Leichnam von István fand. So wie es aussah, wurde er erstochen und von seinem Mörder hier versteckt …«
»Das wissen wir ja alles schon. Der Dauerfrost verhinderte, dass man die Leiche vergraben konnte. Aber wie kommt ein Knopf Ihres Mantels an die Fundstelle?«
»Ganz einfach. In der Nacht schneite es erneut und der Schnee verwischte glücklicherweise alle meine Spuren. Am nächsten Tag bekam ich mit, dass die Polizei die Leiche entdeckt und geborgen hatte. Habe sie die ganze Zeit beobachtet und zugesehen, wie die den Fundort abgesucht und nichts gefunden haben. Mir fiel jedoch auf, dass das verdorrte Gras, auf dem der Tote lag, nicht richtig durchsucht wurde.
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