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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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ein Stück entfernt.
    »Sie hauen ab! Da hinten sind sie!«
    Stiefel polterten, Zweige knackten, und die Meute war verschwunden. Die Schüsse und Schreie entfernten sich immer weiter. Bis jetzt lief alles wie geschmiert.
    »Was habe ich Ihnen gesagt, Lipkow«, rief Zarkow von oben ärgerlich. »Wir hätten diesen Gorilla, den Sucharewer Zirkatsch, vollständig vernichten müssen. Kommen Sie! Wir müssen reden.«
    »Zum Vernichten ist es nie zu spät, Awgust Iwanytsch. Wir werden ihn vernichten.«
    Aber Zarkow war nicht mehr am Fenster.
    Swist rieb sich betreten die Wange. Er sagte zu dem Wachposten mit dem Spitznamen Gescheckter: »Pass mir ja auf!« und verschwand im Haus.
    Inzwischen hatte Fandorin einen Stein von handlicher Größe aufgehoben. Die Kunst des gezielten Steinwurfs beherrschte er seit seiner Zeit in Japan vortrefflich.
    Ein dumpfer, satter Laut – und der Herr Gescheckte fiel ohne einen Schrei oder ein Stöhnen von den Stufen. Der Beruf, den er gewählt hatte, barg nun einmal diverse Risiken. Zum Beispiel das einer mittelschweren Gehirnerschütterung.
    Lautlos drang Fandorin ins Haus ein. Er durchquerte das Speisezimmer und stand im Büro.
    Nein, das ist kein richtiges Abenteuer, dachte er enttäuscht. Das ist bestenfalls etwas aus dem Leben von Detektiv Putilin 8 .
    Er hatte einen ganzen Satz Dietriche mitgenommen, für alle erdenklichen Schlösser, doch die vielgerühmten amerikanischen Schränke ließen sich mit dem ersten, allersimpeltsten öffnen.
    Nun denn, sehen wir uns die Geheimnisse des Hofs von Madrid einmal an …
     
    Der erste, in Fächer unterteilte Schrank enthielt sämtliche erlaubten und unerlaubten Vergnügungsbetriebe der alten Hauptstadt (Fandorin taufte ihn sofort »Garten der Lüste«). Es waren sechs Fächer. Auf jedem prangte ein Schild mit einer maschinengeschriebenen Bezeichnung und einem gezeichneten Emblem – eine Augenweide. Das Schild »Theater« mit einer Maske, »Kinematograph« mit einem Scheinwerferstrahl, »Zirkus« mit einem Gewicht, »Restaurants, Wirtshäuser« mit einer Flasche, »Sport« mit einem Boxhandschuh und »Liebe« mit einem Symbol, bei dem Fandorin, kein Freund von Schamlosigkeiten, das Gesicht verzog. Offenbar hatte Subbotin bei weitem keine vollständige Vorstellung vom wahren Ausmaß des Zarkowschen Terrains. Oder Zarkow hatte seit dem letzten Jahr, als der Titularrat seine Informationen über dessen illegales Reich zusammengetragen hatte, seine Einflusssphäre erweitert. Profitable und vielseitige Unternehmen wachsen bekanntlich rasch.
    Erast Petrowitsch griff aufs Geratewohl nach einer Mappe aus dem Bereich Sport. Aha, der Kampfsportklub »Samson«. Auf dem Umschlag stand ein Name, in Klammern dahinter: nomineller Inhaber; ein zweiter Name, dahinter: Besitzer und der Vermerks. Personal. Der Hefter enthielt Daten, Zahlen, Summen, eine Liste der Kampfsportler und der jeweiligen Zahlungen. Offenkundig verdiente Zarkow nicht nur an den Eintrittskarten, sondern auch an den vertraglich vereinbarten Kämpfen. Alles war unverschlüsselt – ein sicheres Zeichen dafür, dass der Betreiber des Archivs sich sicher fühlte und keine Angst vor überraschenden Besuchen der Polizei hatte.
    Rasch und mit Gelassenheit agierend, lauschte Fandorin zugleich aufmerksam, ob vielleicht die Treppe knarrte. Noch immer krachten Schüsse, aber in beträchtlicher Entfernung, die Schreie waren kaum noch zu hören. Großartig – anscheinend hatte Dewjatkin die Pinscher schon bis an die Jausa gelockt.
    Den zweiten Schrank würde man nach Bibliotheksgepflogenheiten Schlagwort- und Personenkatalog nennen. Die Fächer trugen Aufschriften wie Schauspieler, Schuldner, Freunde, Informanten, Klienten, Mädchen, Jungen, Eigene, Sportler und so weiter – insgesamt mindestens zwanzig. Hier gab es keine verspielten Bildchen, alles war ganz sachlich. Auch hier standen Mappen, nach Namen geordnet. Erast Petrowitsch sah flüchtig die Kategorie »Freunde« durch und schüttelte nur den Kopf: Fast die gesamte Moskauer Stadtverwaltung, Abgeordnete der Stadtduma, eine große Zahl Polizeibeamter. Wer davon auf Zarkows Gehaltsliste stand und wer nur dessen Liebenswürdigkeiten genoss, konnte er in der Kürze der Zeit nicht ermitteln. Erst musste er sich um seinen Fall kümmern.
    Er öffnete das Fach mit der Aufschrift Schuldner und fand unter L das Gesuchte: Limbach, Wladimir Karlowitsch, geb. 1889, St. Petersburg, Kornett des Leibhusarenregiments. Auf einem tabellarisch angelegten Blatt

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