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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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dass Sie einen Verdacht gegen mich hegen. Ich weiß eigentlich nicht einmal, welchen. Wir hätten ganz zivilisiert ein Treffen verabreden können, und ich hätte Sie überzeugt, dass Sie sich irren.«
    »Ich wollte zuerst in Ihr Archiv schauen«, erklärte Fandorin.
    Erst jetzt bemerkte Zarkow die offenen Schränke. Sein rundes Gesicht verzerrte sich vor Zorn.
    »Egal, wer Sie sind, und wenn Sie tausendmal Nick Carter wären oder Sherlock Holmes, das ist eine Frechheit, für die Sie sich verantworten werden!«, zischte Zarkow.
    »Dazu bin ich b-bereit. Aber zuerst antworten Sie mir. Ich beschuldige Sie – oder, um juristisch korrekt zu sein, Ihren wichtigsten Mitarbeiter – zweier Morde.«
    Lipkow stieß einen ironischen Pfiff aus.
    »Ob zwei Morde oder drei, macht keinen Unterschied«, sagte er drohend. »Warum so kleinlich sein?«
    »Warten Sie.« Mit erhobenem Finger bedeutete Zarkow Swist, sich nicht einzumischen. »Warum sollte ich Smaragdow töten und diesen – wie hieß er gleich …« Er schnippte mit den Fingern, als könne er sich nicht an den Namen erinnern. »Nun, diesen Husaren … Teufel, ich weiß nicht einmal mehr, wie er heißt!«
    »Wladimir Limbach, und das wissen Sie sehr gut. In Ihrem Archiv existiert ein D-dossier mit interessanten Aufzeichnungen.« Fandorin zeigte auf die Mappe. »Beginnen wir also mit Limbach.«
    Zarkow griff nach der Mappe, schaute hinein und zupfte an seinem spanischen Bärtchen.
    »In meiner Kartei steht so mancher … Soll ich mir etwa jede Kleinigkeit merken? Ach ja, Kornett Limbach. ›Einen Vorschlag unterbreiten.‹ Ich erinnere mich.«
    »Bravo? Und worin bestand der? Dass der Junge Frau Lointaine nicht mehr belästigen sollte? Doch der Junge war widerspenstig?«
    Zarkow, der immer wütender wurde, schleuderte das Dossier wieder auf den Tisch.
    »Sie dringen mitten in der Nacht bei mir ein! Inszenieren ein Affentheater mit Pfiffen und Schießereien! Sie wühlen in meinen Papieren und wagen auch noch, von mir Erklärungen zu verlangen? Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen, und Sie landen im Jenseits.«
    »Ich verstehe gar nicht, warum Sie das bis jetzt nicht getan haben«, bemerkte Mr. Swist.
    »Man hat mir gesagt, Sie seien ein Genie des Scharfsinns«, zischte Zar, den Einwurf ignorierend. »Aber Sie sind nur ein eingebildeter, aufgeblasener Idiot. So etwas – in mein Kontor einzudringen! Wegen eines solchen Unsinns! So lassen Sie sich gesagt sein, Sie Leuchte des Spürsinns, dass …«
    »Die Pistole weg! Ich schieße!«, dröhnte eine Stimme hinter Lipkow.
    In der Tür zum Speisezimmer stand George Dewjatkin. Sein Nagant zielte auf Mr. Swist.
    »Erast Petrowitsch, ich bin rechtzeitig zur Stelle!«
    »Teufel! Wer hat Sie gebeten, sich einzu…«
    Fandorin brachte den Satz nicht zu Ende. Lipkow drehte sich blitzschnell um und reckte die Hand mit der Mauser. Der Assistent schoss als Erster, doch der ehemalige Polizist war schneller und sprang zur Seite. Die Mauser krachte trocken, weit leiser als der Nagant. Ein metallisches Klingen zeigte an, dass die Kugel die Türangel getroffen hatte, Splitter flogen herum, einer traf Dewjatkin an der Wange.
    Erast Petrowitsch hatte keine Wahl. Er griff nach dem Browning unter dem Blatt Papier, bevor Swist noch einmal auf den Abzug drücken konnte, und schoss ihm in den Hinterkopf. Die bisher so erfolgreich angelaufene Operation war in einem einzigen Augenblick zu einer Katastrophe geworden.
    Der tödlich getroffene Lipkow fiel gegen den Schrank und rutschte zu Boden. Die Pistole entglitt seinen leblosen Fingern.
    Herr Zarkow dagegen entfaltete eine überraschende Kühnheit. Er raffte den Saum seines Schlafrocks, nahm Anlauf und sprang mit einem gellenden Schrei aus dem Fenster. Die Vorhänge wehten, die Fensterscheiben klirrten, und der Herrscher über die Vergnügungswelt von Moskau verschwand im Dunkel der Nacht. Statt ihm nachzujagen, stürzte Fandorin zu George.
    »Sind Sie verwundet?«
    »Das Schicksal beschützt den Künstler«, sagte Dewjatkin und zog sich den Splitter aus der blutenden Wange. »So viel zur Frage des Fatums …«
    Fandorins Erleichterung schlug unvermittelt in Wut um.
    »Warum sind Sie zurückgekommen? Sie haben alles verdorben!«
    »Meine Verfolger haben sich am Ufer zerstreut, und ich dachte, ich müsse mich überzeugen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist. Ich wollte Sie nicht stören … Die Tür stand sperrangelweit offen, die Schreie … Ich habe nur hineingeschaut, und da sehe ich – er

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