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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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die Spur gebracht hatte.
    Dewjatkin lauschte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit.
    »Wenn das alles vorbei ist, müssen Sie ein Stück darüber schreiben«, erklärte er. »Das wird eine Sensation – ein Kriminaldrama auf den frischen Spuren des Verbrechens! Noah Nojewitsch wird die Idee gefallen. Und dem profitgierigen Schustrow erst recht. Ich würde gern den Swist spielen! Schreiben Sie diese Rolle für mich?«
    »Spielen Sie erst einmal sich selbst«, bremste ihn Fandorin und bedauerte im Stillen bereits, sich mit einem Schauspieler eingelassen zu haben. »Heute Nacht. Aber denken Sie daran: In unser beider Stück k-kann ein Misserfolg mit dem Tod enden. Mit echtem Tod.«
    Nicht im Geringsten eingeschüchtert, rief George: »Dann lassen Sie uns proben! Was soll ich tun?«
    »Kunstvoll pfeifen. Betrachten Sie es als Vorbereitung auf die Rolle des Mr. Swist. Jede Moskauer Bande, die etwas auf sich hält, hat ihre eigene Art der Kommunikation. Wie in der Tierwelt erfüllt dabei ein Tonsignal eine doppelte Funktion: sich den Eigenen zu erkennen zu geben und Fremde einzuschüchtern. Ich besitze eine ganze Kollektion von Banditenpfiffen. Die Sucharew-Bande eines gewissen Zirkatsch, d-den unsere Freunde vor einiger Zeit von der Futterkrippe verdrängt haben, benutzt diesen Triller.« Erast Petrowitsch legte die Finger auf eine besondere Weise zusammen und erzeugte einen gellenden, forschen Pfiff, der frech durch das leere Theater hallte. »Nun, probieren Sie es einmal.«
    »Wozu?«, fragte Dewjatkin nach kurzem Überlegen.
    »Wir sollten uns über eines einigen.« Fandorin lächelte höflich. »Wenn ich Ihnen einen Auftrag gebe, dann überlegen Sie nicht lange und fragen nicht ›wozu‹, sondern tun es einfach. Sonst k-könnte unser Vorhaben übel enden.«
    »Wie beim Militär? Befehle werden nicht diskutiert, sondern ausgeführt? Zu Befehl.«
    Der Assistent bat den Kommandeur, ihm den Pfiff noch einmalvorzuführen, und zu Fandorins Erstaunen gelang ihm der Kampfruf der Sucharew-Bande bereits beim ersten Versuch recht gut.
    »Bravo, George. Sie haben Talent.«
    »Ich bin schließlich Schauspieler. Nachahmen ist mein Beruf.«
     
    Bis zur Nacht hatte George es durch fleißiges Üben zu wahrer Meisterschaft gebracht, was er nun auch eifrig demonstrierte.
    »G-genug! Mir werden schon die Ohren taub.« Erast Petrowitsch nahm die Hand vom Lenkrad und gebot dem begeisterten Pfeifer mit einer Geste Einhalt. »Das können Sie ausgezeichnet. Zarkow und seine Wachen werden überzeugt sein, dass die Sucharew-Bande sie überfällt. Und nun wiederholen Sie noch einmal, was Sie tun werden.«
    »Zu Befehl.« Dewjatkin legte militärisch die Hand an die keck schräg aufgesetzte Schirmmütze, die er eigens für diese Operation erhalten hatte. Mit solchen Kopfbedeckungen schmückten sich die Gauner vom Sucharew-Markt, im Unterschied zu denen vom Chitrow-Markt, die achteckige Käppis bevorzugten, oder denen aus der Gratschowka, bei denen es als schick galt, barhäuptig herumzulaufen.
    »Ich sitze im Gebüsch auf der Südwestseite des Hauses …«
    »Dort, wo ich es sage«, korrigierte Fandorin.
    »Dort, wo Sie es sagen. Ich schaue auf die Uhr. Nach genau 300 Sekunden beginne ich zu pfeifen. Wenn Leute aus dem Haus gerannt kommen, schieße ich zwei Mal.« Der Assistent zog eine Nagant-Offizierspistole aus dem Gürtel. »In die Luft.«
    »Nicht irgendwie in die Luft, sondern senkrecht nach oben, in Deckung hinter einem Baumstamm. Sonst können die ›Pinscher‹ am Mündungsfeuer ausmachen, wo Sie sich befinden, und gezielt losfeuern.«
    »Jawohl.«
    »Und dann?«
    »Dann beginne ich mit dem Rückzug in Richtung Jausa und schieße dabei hin und wieder.«
    »Nach wie vor in die Luft. Wir haben nicht vor, jemanden zu töten. Sie sollen nur die Wachposten ablenken.«
    »Jawohl. In der Taktik heißt das ›die Hauptkräfte des Gegners auf sich lenken‹.«
    »Genau.« Erast Petrowitsch warf einen zweifelnden Blick auf seinen Assistenten. »Lassen Sie sie um Gottes willen nicht zu nahe herankommen. K-keine Bravourstückchen. Ihre Aufgabe ist es, sie bis zum Fluss zu locken, dort hören Sie auf zu schießen und laufen davon. Das ist alles. Damit ist Ihre Mission beendet.«
    Dewjatkin wandte würdevoll ein: »Herr Fandorin, ich bin Offizier der russischen Armee. Ich kann aus taktischen Erwägungen einen Scheinrückzug antreten, aber davonzulaufen, noch dazu vor irgendwelchen Banditen, ist mir unmöglich. Glauben Sie mir, ich bin zu mehr

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