Moskauer Diva

langsamen, eleganten Tanz.
     
    KUBOTA
(erregt)
Oh, welche edle Anmut! Was für ein reiner Tanz! Wie eine Trauerweide an einem stillen Fluss!
     
    SEN-CHAN
(laut)
Habt ihr gehört, o Schwester? Er hat den Tanz gelobt! Wie eine Trauerweide, sagt er, am stillen Fluss!
     
    OKASAN Was für ein freches Mädchen! Ein unerhörtes Kind! Sie kam erst kürzlich zu uns. Verzeiht, mein guter Herr!
     
    Kubota ist so gebannt von der Geisha, dass er weder den Schrei noch die Entschuldigung gehört hat. Sen-Chan nimmt Ijumi den Fächer wieder ab und läuft rasch zurück. Ijumi setzt sich an die Samishen, spielt und singt.
     
    IJUMI
    Was wahrhaft schön, ist immer unauffällig,
    Es blendet nicht, es drängt sich dir nicht auf.
    Die Stimme dieser Schönheit ist ganz leise,
    Nicht jedem schmeichelt sie das Ohr.
    Das Schöne ist begehrt, weil es vollkommen,
    Ein unergründliches Geheimnis ist.
    Nur einen Teil davon kann man betrachten –
    Doch für den Kenner ist das schon sehr viel …
     
    SEN-CHAN
(an den Saal gewandt)
Habt ihr gehört? Ihr alle? Ach, was für ein Gesang! Sie ist die Allerschönste, meine Ijumi-san!
     
    Yuba stößt ihr den Ellbogen in die Seite, und das Mädchen verstummt. Während Ijumis Auftritt arbeitet der Dieb weiter. Nachdem er den Kaufmann »ausgeräumt« hat, schleicht er sich an den »Mönch« heran. Hier erwartet ihn eine Überraschung. Im Ärmel findet er nichts, doch als er den Saum der Kutte anhebt, blitzt dort die Klinge eines blanken Schwerts. Ängstlich kriecht der Dieb zurück. Er postiert sich hinter Yuba, will seine Hand unter ihren Gürtel schieben, hält jedoch inne und streichelt zärtlich die runde, von Stoff umspannte Hüfte.
    Ohne sich umzudrehen, schlägt Yuba dem dreisten Unbekannten auf die Hand. Kinjo erstarrt.
    Ijumi beendet ihren Gesang. Erneut verbeugt sie sich nach drei Seiten, senkt den Blick und entfernt sich, um sich neben O-Bara zu setzen.
     
    KUBOTA
(laut)
Wär es allein mein Wille, stellt ich die Suche ein! Dies ist die Konkubine, die meinem Herrn geziemt! Bescheiden, wohlerzogen und obendrein noch schön! Die Ehre meines Fürsten, die wahrt sie ganz gewiss. Und überdies besitzt sie die Reize des Yugen, das erst die wahre Schönheit aus dem Vulgären hebt.
     
    Er beugt sich zu Okasan und redet eifrig auf sie ein.
     
    ERZÄHLER
    Ausführlich preist Kubota Ijumis hohe Kunst.
    Er liebt »verborgne Schönheit«, die Schule des Yugen.
    All seine sieben Reize zählte Ijumi auf
    In ihrem stillen Liedchen, das ihn so sehr betört.
    Am Ende seiner Rede versieht der Samurai
    Noch seine alte Freundin mit einem guten Rat.
     
    KUBOTA Zwar schätzt der Fürst die Künste, doch ist er noch sehr jung. Drum tut hier etwas Farbe und mehr Bewegung not. Ich werde das Yanagi zum Schluss erst präsentiern …
    Okasan vollführt die Geste »Unverdiente Kränkung«, doch Kubota lächelt ihr listig zu.
    Von Tänzen und Gesängen ermüdet bald der Fürst. Dann kannst du demonstrieren, was du zu bieten hast. Als Erstes deine Rose
( nickt zu O-Bara hinüber )
, damit der Fürst erwacht. Dann lässt du einen Narren wild treiben seinen Spaß, einen Jongleur agieren – der Fürst liebt so etwas. Soll er sich amüsieren bei schlichtem Zeitvertreib. Doch nun erscheint Ijumi, und er sitzt wie erstarrt. Denn die vulgären Scherze, die bilden den Kontrast, um das Yugen zu schätzen, die elegante Kunst.
     
    ERZÄHLER
    Der hohe Gast entfernt sich. Okasan schickt ihm nach
    Verbeugung um Verbeugung, vor Rührung tränennass.
    Sein guter Rat in Freundschaft, seine Verbundenheit
    Verheißen dem Yanagi unschätzbaren Gewinn.
     
    Okasan verabschiedet den Samurai unter unaufhörlichen Verbeugungen. Alle Anwesenden berühren mit der Stirn den Boden, nur Soga, wie es sich für einen Mann von edlem Stand geziemt, verbeugt sich nicht so tief. Darum sieht er als Erster, wie der »Mönch«, kaum sind Kubota und die Hausherrin hinter den Kulissen verschwunden, sich jäh aufrichtet, seine versteckte Waffe ergreift und nach vorn stürzt. Das alles geschieht in einem einzigen Augenblick. Sen-Chan packt den Mörder kreischend bei der Kutte. Der stolpert, reißt sich los, doch in dieser Sekunde hat auch Soga sich aufgerichtet und sein Schwert gezückt. Der Mörder rennt mit einem wütenden Schrei zu Ijumi und schwingt die Klinge. Ijumi erstarrt vor Schreck und schlägt die Hände vors Gesicht. O-Bara rollt sich geschickt zur Seite. Die Zuschauer schreien und rennen hin und her.
    Doch der Ronin ist schneller als der