Moskauer Diva
des Mädchens Hilfe. Sie kennt das ganze Haus, Sie
soll für ihn erkunden, wo was zu holen ist.
In jedem reichen Hause sind Wertsachen versteckt.
Auf seine großen Pläne lässt sie sich schließlich ein.
Verführt vom Abenteuer und von des Karmas Ruf.
Die Verliebten verschmelzen in einem Kuss. Dann packt Kinjo Yubas Hände und zieht sie tiefer in den Garten. Kaum sind sie von der Bühne verschwunden, taucht hinter der steinernen Laterne eine schwarze Gestalt auf. Es ist der Zweite Mörder, der sich dort versteckt hielt. Er holt eine kleine Armbrust hinter dem Rücken hervor, legt einen Pfeil auf die Sehne und zielt auf die Silhouette der auf der Shamisen spielenden Ijumi.
Doch ebenso plötzlich wie zuvor erscheint Soga auf der Bühne. Zielstrebig springt er herab, und mit einem einzigen Hieb durchbohrt er den Zweiten Mörder. Der fällt mit einem Schrei zu Boden.
Die Musik bricht ab. Ijumi steht auf. Soga steckt das Schwert zurück in die Scheide und zieht den Leichnam unter die Veranda.
ERZÄHLER
Der Leibwächter, der treue, war wieder auf der Hut.
Stets wacht der kühne Soga, das gute Erste Schwert.
Erregt ist er, voll Sorge. Der Angriff war ein Schock!
Rasch räumt er fort den Leichnam, schafft aus den Augen ihn.
Die Ruhe von Ijumi ist ihm ein hohes Gut.
Die Ärmste muss nicht wissen, dass hier der Tod geweilt.
Ijumi schiebt die Tür auf, sieht Soga, beruhigt sich und schiebt die Wand weit auf. Das Innere ihres Zimmers wird sichtbar. Es ist mit Reisstrohmatten ausgelegt und mit Blumen geschmückt. In der Mitte stehen zwei niedrige kleine Tische. Auf dem einen liegt die Shamisen, auf dem anderen eine große Lackschatulle mit Ausziehschüben.
IJUMI Ach, Ihr seid’s, mein Beschützer, mein lieber, guter Freund. Mir schien, ich hätte eben jemand schreien gehört.
SOGA Das war nur eine Eule. Alles ist ruhig hier. Ihr solltet schlafen gehen. Ich wache doch für Euch.
IJUMI
(fröstelnd)
Ich kann heute nicht schlafen! Wer ist der böse Feind, der wohl um jeden Preis Ijumi töten will?
SOGA Ich fragte Euch schon mehrfach nach Männern, denen Ihr die Tür gewiesen habt und die zornig auf Euch sind.
IJUMI Ach, ihrer sind so viele! Ein ganzer Fliegenschwarm. Sie summen und verlangen: »Werde die meine nur!« Sie wollen nicht begreifen das Wesen des Yugen: Es lockt und es entgleitet, zu fassen ist es nicht. Umarmungen und Schwüre sind nicht mein Herzenswunsch. Kein Mann der Welt wird jemals für mich der Liebste sein.
Soga hört zu, den Kopf tief gesenkt. Ijumis Stimme wird weicher.
Nur Ihr allein, mein Bester, Ihr konntet mich verstehen. Obwohl auch Ihr am Anfang von Liebe zu mir spracht. Doch Ihr seid edelmütig, und es ist Euch genug, dass ich für Eure Treue und Großmut dankbar bin.
Sie lädt ihn mit einer Geste ins Haus ein. Beim Hereinkommen schiebt er die Papierwand noch weiter auf und lässt sie offen. Sie setzen sich: Ijumi vor die Schatulle, das Profil dem Saal zugewandt, Soga ihr gegenüber.
SOGA Ich hab mich dumm benommen. Ich war nicht bei Verstand und wollt‘ die Blume brechen, die mir so teuer ist. Euch anzuschaun macht glücklich, gibt meinem Leben Sinn. Einem vollkomm‘nen Wesen dien ich gern alle Zeit.
Ijumi klappt den Deckel der Schatulle auf – innen ist ein Spiegel. Die Geisha betrachtet traurig ihr weiß geschminktes Gesicht.
IJUMI Sehr kurz währt für die Geisha diese Vollkommenheit. Die Schönheit welkt, und übrig bleibt nur ein dürres Blatt … Wenn erst ein Netz von Falten dieses Gesicht bedeckt, werd‘ ich nicht lange zögern – das schwöre ich schon jetzt. Was soll mir noch das Leben ohne der Schönheit Glanz? Dafür birgt die Schatulle dies hübsche kleine Ding. (Sie holt ein scharfes Stilett hervor und schaut es an.) Ein Stich, ein kurzer Schmerz nur, und alles ist vorbei. Die Blume darf nicht welken, das schändet das Yugen!
SOGA Was sind das für Gedanken! Ihr seid erst zwanzig Jahr! Glaubt mir, es gibt auf Erden auch Schönheit andrer Art. Sie ziert den Menschen später, wenn er den Weg durchs Leben stets schön durchmessen hat.
IJUMI
(steckt das Stilett wieder weg; leichthin)
Ihr habt ja recht, das wird noch nicht bald mit mir geschehn. Denn meine Jugend währt wohl noch fünf bis sieben Jahr.
Der Erzähler schlägt die Trommel.
Die Geisha wird blass, ihre Stimme zittert.
Wie konnte ich vergessen, was meiner Blume droht? Ein Fremder will sie brechen, mich töten vor der Zeit
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