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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Künste, und er wählt eine aus. Wahrlich, für eine Geisha ein wunderbares Los! Denk nur, wie viel auch du dann an Geld von ihm erhältst. Und auch für das Yanagi wär’s ein Prestigegewinn!
     
    OKASAN An diese hohe Ehre denk ich nicht mal im Traum. Es ist die schönste Freude, dass ich Euch sehen darf.
     
    Sie vollführt die Geste »Tiefste Dankbarkeit«.
     
    Doch will ich Euch gleich zeigen, womit mein Haus sich rühmt. Ihr sollt nun unverzüglich all seine Schätze sehn. Drum sind heut alle Tore geöffnet jedermann. Mein Haus steht Euch weit offen, genauso wie mein Herz.
     
    Sie vollführt die Geste »Grenzenlose Aufrichtigkeit«.
     
    Zuerst wird meine Tochter O-Bara Euch erfreun und ihre Kunst vorführen. Seid nicht zu streng zu ihr.
     
    Sie klatscht in die Hände. Ihre Ziehtochter
O-Bara
geht auf die Bühne. Sie trägt einen wundervollen Seidenkimono mit purpurrotem Futter. Ihre hohe Frisur ist mit Haarklemmen in Schmetterlingsform geschmückt. Ihr Gesicht ist, wie es sich für eine Geisha geziemt, dick weiß geschminkt. Ihre Bewegungen sind präzise und kühn, jeder Geste ist von Sinnlichkeit durchdrungen.
    Yuba erhebt sich, trippelt zur Bühne, reicht ihrer Herrin mit einer Verbeugung eine kleine Trommel und geht zurück auf ihren Platz. Die Vorführung beginnt. O-Bara tanzt zuerst zu schneller Musik und schlägt dazu auf der Trommel den Takt. Die ganze Zeit hat die Geisha den Blick auf den Gast gerichtet, um zu zeigen, dass ihre Vorführung nur ihm gilt.
     
    ERZÄHLER
(während des Tanzes)
    O-Bara, also Rose, heißt sie nicht ohne Grund.
    Denn ihre Dornen dringen in jedes Männerherz.
    Die Leidenschaft entflammt sie wie keine andre Frau,
    Will sie den Mann entzücken, und erntet reichen Lohn.
    Natürlich weiß O-Bara, warum der Gast hier weilt.
    (Das ist in diesem Teehaus längst kein Geheimnis mehr.)
    Sie will den Gast betören, damit er sie erwählt,
    des Fürsten Konkubine zu werden ist ihr Traum.
     
    Der Tanz ist zu Ende. Die Schülerin nimmt die Trommel an sich, die Geisha setzt sich an die Samishen und singt mit schöner, tiefer, ein wenig heiserer Stimme, den Blick auf den Samurai gerichtet.
     
    OBARA (singt)
    Wie sich die Kletterwinde schlingt
    Um eine große, starke Zeder,
    So will auch ich, o edler Herr,
    Mich sanft um Euren Leib wohl schlingen.
    Mein Blattwerk, all mein zartes Grün,
    Sowie mein Duft und meine Blüten
    Sie sollen Euch allein erfreun,
    Denn Ihr allein seid mein Gebieter!
     
    Kubota hört zu und wiegt im Takt den Kopf. Okasan schaut immer wieder verstohlen zu ihm: ob er zufrieden ist. Während O-Baras Auftritt geschieht auf dem Hanamichi Folgendes:
    Kinjo nutzt den Umstand, dass die Zuschauer ganz gebannt sind von der Vorführung, und geht an sein Werk. Als Erstes durchsucht er geschickt den neben ihm sitzenden Ronin: hinter seinem Gürtel, in seinem weiten Ärmel, unterm hinteren Saum seines Kimonos. Doch er findet nichts Wertvolles und schüttelt verächtlich den Kopf. Auf allen vieren kriecht er ein Stück nach vorn und bearbeitet den Kaufmann. Hier hat er weit mehr Glück. Aus dem Ärmel zieht er eine Geldbörse, unter dem Gürtel findet er einen seidenen Tabakbeutel und eine vergoldete Tabakspfeife, im Futter des Kimonos entdeckt er eine Geheimtasche, aus der er mehrere Goldmünzen fischt. Der Auftritt der Geisha ist zu Ende. Sie verbeugt sich allein vor Kubota und entfernt sich mit einem tiefen Seufzer, den die Geste »Sinnliche Erregung« begleitet, zur anderen Seite der Bühne, wo sie sich setzt.
     
    KUBOTA
(zur Gastgeberin)
Welch reizende Erscheinung! Ich könnte schaun und schaun. Obgleich ich nicht mehr jung bin, ist aufgewühlt mein Blut. Dem Fürsten aber wird sie erst recht ein Labsal sein. Die Fürstin ist wahrhaftig kein solcher Augenschmaus. Die Frau meines Gebieters war seines Vaters Wahl. Ihn kümmerte nicht Schönheit – die Mitgift war recht groß …
     
    OKASAN Gestattet, dass Ijumi nun ihre Kunst vorführt. Ihr Stil ist gänzlich anders, doch ist auch sie sehr schön.
     
    Kubota nickt, und die Hausherrin klatscht in die Hände. Ijumi erscheint. Sie trägt einen unauffälligen, aber eleganten weiß-blauen Kimono mit Silberstickerei. Sie bewegt sich geschmeidig, fast schwerelos. Ihr Blick ist gesenkt. Sie verbeugt sich erst vor dem Gast, dann vor der Hausherrin, dann vor dem Publikum. Ihre Schülerin Sen-Chan erhebt sich rasch, läuft zur Bühne und reicht ihr einen Fächer, eilt danach jedoch nicht an ihren Platz zurück.
    Ijumi beginnt einen

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