Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
Verbindung ausrechnen kann. Das Alter der Braut muss der Hälfte der Jahre des Bräutigams plus sieben entsprechen. Nach chinesischen Maßstäben liegen Sie also nur knapp unter dem Alter der idealen Partnerin für mich. Sie werden dreißig, und nach der Formel müssten Sie vierunddreißigeinhalb sein. Kein großer Unterschied.«
    Wie erwartet, fand Elisa die zweifelhafte chinesische Weisheit interessant. Sie runzelte die Stirn und bewegte die Lippen.
    »Warten Sie … Ich kann nicht rechnen. Wie alt sind Sie denn? Vierunddreißigeinhalb minus sieben mal zwei …«
    »Fünfundfünfzig.«
    Sie war enttäuscht.
    »So alt? Ich hätte Sie auf höchstens fünfundvierzig geschätzt!«
    Das war ein schmerzhaftes Thema für Erast Petrowitsch, aber er hatte sich gut vorbereitet.
    »Der Mensch hat drei Alter, und sie alle haben nur relativ mit der Anzahl der gelebten Jahre zu tun. Das erste Alter ist das des Verstandes. Es gibt alte Menschen mit dem Intellekt eines zehnjährigen Kindes, ebenso wie Jünglinge mit reifem Verstand. Je älter der Verstand eines Menschen, desto besser. Das zweite Alter ist das des Geistes. Das Höchste, was man auf diesem Weg erreichen kann, ist die Weisheit. Sie kann erst im Alter auf den Menschen herabkommen, wenn die Eitelkeiten und Leidenschaften vorbei sind. Bis dahin ist es bei mir, wie ich nun sehe, noch weit. In geistiger Hinsicht bin ich jünger, als ich es gern wäre. Und schließlich gibt es nochdas physische Alter. Hier hängt alles von der richtigen Belastung des Körpers ab. Der menschliche Organismus ist ein Apparat, der ständig vervollkommnet wird. Abnutzung wird mühelos duch neue Fähigkeiten kompensiert. Ich versichere Ihnen, ich beherrsche meinen Körper heute besser als in meiner Jugend.«
    »Oh, ich habe gesehen, wie Sie in nur zwei Minuten die Treppe zur Galerie hinaufgelaufen sind und sich von dort abgeseilt haben!« Elisa senkte keusch den Blick. »Und ich hatte auch andere Möglichkeiten, Ihre Körperbeherrschung zu beurteilen …«
    Doch Erast Petrowitsch ließ das Gespräch nicht in unseriöse Bahnen abgleiten.
    »Was sagen Sie, Elisa?« Er spürte, dass ihm die Stimme versagte, und räusperte sich. »Was halten Sie von meinem V-vorschlag?«
    Jetzt hing alles nicht so sehr von ihren Worten ab als davon, wie sie sie sagen würde. Wenn seine Aufrichtigkeit es nicht geschafft hatte, den Schutzpanzer der Schauspielerei zu durchbrechen, konnte aus ihrem Bund nichts Vernünftiges werden.
    Elisa wurde blass, dann rot. Und wieder blass. Seltsam – ihr übliches leichtes Schielen schien verschwunden, beide Augen waren direkt auf Fandorin gerichtet.
    »Eine Bedingung.« Auch sie war plötzlich heiser. »Keine Kinder. Geb’s Gott, dass ich mich nicht zwischen dir und der Bühne zerreißen muss. Sollten wir nicht miteinander leben können, wird das schmerzhaft sein, aber wir werden damit fertig werden. Aber für die Kinder würde es mir leid tun.«
    Da spricht nicht die Maske, dachte Erast Petrowitsch, unendlich erleichtert. Da spricht die lebendige Frau. Das »Du« allein war Antwort genug. Dann dachte er noch, dass Masa enttäuscht sein würde. Er würde keinen kleinen Fandorin lehren, wie man glücklich wird.
    »Das ist vernünftig«, sagte er. »Darum wollte ich Sie auch b-bitten.«
    Nun aber war Elisas Vorrat an Vernunft und Zurückhaltung aufgebraucht.Sie sprang auf, warf dabei den Stuhl um, lief zu Fandorin, presste sich an ihn und murmelte selbstvergessen: »Halt mich fest, lass mich nicht mehr los! Sonst verliere ich den Boden unter den Füßen und entschwebe in den Himmel! Ich bin verloren ohne dich! Dich hat Gott mir geschickt zu meiner Rettung! Du bist meine einzige Hoffnung, du bist mein Anker, mein Schutzengel! Liebe mich, liebe mich, so sehr du kannst! Und auch ich werde dich lieben, so sehr ich es vermag und so weit meine Kräfte reichen!«
    Nun wusste er nicht mehr genau, ob sie jetzt echt war oder unversehens wieder in eine Rolle geschlüpft war. Aber selbst wenn – wie großartig sie spielte!
    Doch Elisas Gesicht war tränennass, ihre Lippen zitterten, ihre Schultern bebten, und Fandorin schämte sich für seine Skepsis.
    Im Grunde war es unwichtig, ob sie spielte oder nicht. Erast Petrowitsch war glücklich, zweifellos glücklich. Komme, was da wolle.

Zwei Kometen am sternenlosen Himmel
    Stück für Puppentheater in drei Akten
mit Gesang, Tanz, Kunststücken, Fechtszenen und Michiyuki
     
    Handelnde Personen:
    Okasan, Besitzerin des Teehauses

Weitere Kostenlose Bücher