Moskauer Diva
»Mönch«, er springt auf den Hanamichi und stellt sich vor Ijumi. Es folgt ein Schwertduell. Der Mörder stößt kehlige Laute aus. Soga bleibt stumm.
ERZÄHLER
(schlägt sehr rasch die Trommel und spricht in schnellem Rezitativ)
Scharf ist das Schwert des Schurken, seine Bewegung schnell!
Von vorne und von hinten greift er den Gegner an!
Doch Soga wird nicht grundlos das »Erste Schwert« genannt.
Weil er die Kunst des Fechtens wie keiner sonst beherrscht.
Schließlich fällt der »Mönch« nach einem präzisen Hieb von Soga tot um. Der Ronin verharrt im Ausfallschritt. Auch alle übrigen erstarren: Manch einer schlägt die Hände vors Gesicht, mancher hebt die Hände zum Himmel.
Das Licht erlischt. Der Vorhang fällt.
Die Bühne dreht sich.
Zweites Bild
Der vordere Teil der Bühne stellt den Garten des Teehauses Yanagi dar. Dies ist das feste, nie wechselnde Bühnenbild. Dazu gehören eine dekorative Brücke, ein junger Apfelbaum, eine große steinerne Lampe. Etwas weiter in der Tiefe eine Engawa-Veranda, die den Pavillon umgibt. Auf beiden Seiten der Engawa steht je eine Öllampe, die je nach Tageszeit brennt oder nicht. Die Shoji (die Papierwände des Pavillons) sind mal offen, mal geschlossen. Drinnen brennt Licht, man sieht die Silhouette von Ijumi, die bedächtig über die Saiten ihrer Shamisen streicht. Es erklingt eine traurige, stockende Meldodie. Nacht. Im Garten ist es dunkel.
Der Erzähler schlägt die Trommel – Soga, die Hand am Griff seines Schwertes, läuft lautlos durch die Engawa und verschwindet.
ERZÄHLER
Als sich am Tor des Hauses ein großer Lärm erhob,
War unser Dieb nicht müßig und gab das Diebesgut
Klammheimlich seinem Partner, der draußen Schmiere stand.
Dann schlich im Schutz der Menge er sich zurück ins Haus.
Und hielt sich dort verborgen, doch als es dunkel war,
Macht‘ er sich auf die Suche, auf neuen Beutezug.
Er schlägt die Trommel.
Kinjo erscheint, schaut sich nach allen Seiten um. Entdeckt die Silhouette der Geisha und erstarrt, verzaubert von der Musik.
ERZÄHLER
Sechs Stunden sind vergangen, seit man sie überfiel.
Ijumi kann nicht schlafen, die Angst sitzt noch zu tief.
Yuba kommt rückwärts in den Garten. Tief gebückt fegt sie den Weg. Sie prallt rückwärts auf Kinjo. Beide schreien erschrocken auf und drehen sich zueinander um.
YUBA Wer seid Ihr und wie konntet hierher gelangen Ihr?
KINJO
(hat sich schnell gefasst)
Ach, was für eine Freude! Was hab ich für ein Glück!
YUBA
(misstrauisch)
Was hat das zu bedeuten? Mein Herr, ich bin empört! Ich rufe gleich die Wache, jawohl, das ist mein Ernst!
KINJO
(packt sie am Ärmel)
Nein, nicht die Wache rufen. Ich kam hierher doch nur mit einer einz’gen Absicht – ich wollt Euch wiedersehn! Ich sah Euch heut am Tage neben der Bühne stehn, und ich verlor vor Liebe vollkommen den Verstand. Ich schlich mich in den Garten und laufe hier herum. Ich wagte nicht zu hoffen, dass ich Euch treffen könnt!
YUBA
(sanfter, aber noch immer misstrauisch)
Heut Nacht ist meine Herrin ganz übel aufgelegt. Drum hat sie mich im Dunkeln zum Fegen rausgeschickt …
KINJO
(munter plaudernd)
Habt Ihr vorhin gesehen den tollen Schwerterkampf? Ein feuriges Spektakel! Ich war ganz aufgeregt! Ich dachte schon zu Anfang, das sei ganz ernst gemeint. Wie da das Blut hervorschoss! Ein wunderbarer Trick! Nur schade, dass der edle Kubota nicht mehr sah, wie kunstvoll sie sich schlugen, die Schauspieler mit Schwert.
YUBA Was redet Ihr von Schauspiel! Ich zittere noch jetzt. Seit langem wird Ijumi von Feinden bös verfolgt!
KINJO Wie, Feinde von Ijumi? Nein, ich versteh kein Wort …
YUBA Man sieht, Ihr seid ein Fremder. Die ganze Stadt weiß schon, dass unsere Ijumi ein schlimmer Feind bedroht. Zum dritten Male schickte er einen Mörder nun. Zum Glück ist Soga-san stets bei ihr und rettet sie. Ein Samurai, dem nur noch sein Schwert geblieben ist, doch dient er treu Ijumi, dass ihr kein Leid geschieht. Eine berühmte Geisha, die hat kein leichtes Los. Die Liebe eines Mannes, die kann gefährlich sein. Ein unlängst von Ijumi abgewies’ner Galan will sich vermutlich rächen für diese seine Schmach.
KINJO Ihr Geishas seid so grausam! Mit einem spitzen Pfeil durchbohrt ihr unsre Herzen und schert euch nicht darum. Warum uns erst betören mit Tanz und mit Gesang und sich dann dreist gebärden wie ein Rührmichnichtan?
YUBA Ich bin noch
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