Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
richtiger Besetzungin das Spiel einfloss und ihm eine unverfälschte Lebendigkeit verlieh.
    »Wissen Sie, Elisa«, flüsterte die Reginina weiter, »ich bin nicht wie andere, ich beneide Sie nicht um Ihren Erfolg. Ach, früher einmal habe auch ich den Saal dazu gebracht, vor Leidenschaft zu stöhnen. Natürlich hat auch mein jetziges Fach seinen Reiz. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, in aller Freundschaft, ohne eines ist schwer auszukommen – ohne Verehrer. Solange du jugendliche Heldinnen spielst, sind die aufdringlichen Bewunderer, die dich wie eine Meute Hunde überall verfolgen, eine Last. Aber wie sehr vermisst du später diese, verzeihen Sie den vulgären Ausdruck, diese Hundehochzeiten! Oh, Sie werden noch die Erfahrung machen, dass die Gefühle – und die Sinnlichkeit, ja, die Sinnlichkeit – mit dem Alter nicht nachlassen, sondern stärker werden. Ihr Cherubino 7 in Husarenuniform ist ja so süß und frisch! Ich rede von Wolodja Limbach. Sie sollten ihn mir schenken, das würde Ihnen doch nichts ausmachen.«
    Obgleich das im Scherz gesagt war, runzelte Elisa die Stirn. Es kursierten also schon Gerüchte? Hatte jemand gesehen, wie der Junge durchs Fenster zu ihr klettern wollte? Schrecklich!
    »Er gehört mir nicht. Nehmen Sie ihn nur, samt Säbel, Sporen und der übrigen Ausrüstung! Verzeihen Sie, ich möchte jetzt meine Rolle noch einmal durchgehen. Sonst wird Stern böse, wenn er zurückkommt.«
    Sie setzte sich woanders hin, schlug ihre Mappe auf, doch da ließ sich Serafima Klubnikina neben ihr nieder und schwatzte drauflos.
    »Kostja Lowtschilin ist abgehauen. Er hat gesagt, ich lauf rasch ins Madrid. Hat angeblich seine Mappe mit dem Text vergessen. Ist bestimmt gelogen. Er lügt ja dauernd, ihm darf man nichts glauben. Wo waren Sie eigentlich heute Morgen? Ich habe geklopft, aber Sie waren nicht in Ihrem Zimmer. Ich wollte mir Ihre Strassagraffefür meinen Hut ausleihen, sie ist entzückend, und Sie tragen sie sowieso nicht. Nun, wo waren Sie?«
    Die lebensfrohe, unkomplizierte, durch und durch irdische Serafima, eine Person ohne jegliche Brüche und doppelten Boden, hatte eine wohltuende Wirkung auf Elisas gepeinigte Nerven. Im Theater kam es selten vor, dass zwei Schauspielerinnen nicht miteinander konkurrierten, doch bei ihnen beiden war es so. Die Klubnikina mit dem ihr eigenen gesunden Menschenverstand hatte dafür eine einfache Erklärung. »Sie wirken auf einen Typ Mann anziehend, ich auf einen anderen«, hatte sie einmal gesagt. »Sie sind sehr gut in traurigen Rollen, ich in lustigen. Weder auf der Bühne noch im Leben kommen wir uns ins Gehege. Sie verdienen zwar mehr, aber dafür bin ich jünger.« Serafima war lieb und direkt, ein wenig versessen auf Geld, Kleider und Schmuck, aber das war in ihrem Alter verständlich und verzeihlich.
    Elisa legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Ich war ein Stück spazieren. Ich war früh aufgewacht. Ich konnte nicht mehr schlafen.«
    »Spazieren? Allein? Oder mit noch jemandem?«, fragte Serafima lebhaft. Sie liebte Herzensgeheimnisse, Romanzen und Pikanterien aller Art.
    »Erzählen Sie ihr nichts, Elisa«, sagte die hinzugetretene Xanthippa Lissizkaja. Diese Person konnte nicht ruhig mit ansehen, wenn Menschen sich freundschaftlich und fröhlich unterhielten. »Ist Ihnen aufgefallen, dass unsere Muntere die ganze Zeit neugierige Fragen stellt und jeden beobachtet? Als Sie vorhin mal weggegangen waren, da hat sie die Nase in Ihr Notizbuch gesteckt.«
    »Das ist eine Lüge!«, rief die Klubnikina. Ihre kornblumenblauen Augen füllten sich mit Tränen. »Dass Sie sich nicht schämen! Ich habe mir nur den Bleistift herausgenommen, ganz kurz. Ich musste eine Bemerkung zu meiner Rolle aufschreiben, und mein Stift war abgebrochen!«
    »Sie sind es, die dauernd hinter allen herspioniert«, sagte Elisa wütend zu der Intrigantin. »Sie haben nicht einmal gehört, worüber wir reden, aber Sie mischen sich ein.«
    Darauf hatte die Lissizkaja nur gewartet. Sie stemmte ihre spitze Faust in die Hüfte, baute sich vor Elisa auf und schrie durchdringend: »Alle mal herhören! Ich rufe Sie alle zu Zeugen auf! Diese Person hat mich soeben als Spionin beschimpft! Ich bin natürlich nur ein kleines Licht, ich spiele keine Hauptrollen, aber auch ich habe meine Rechte! Ich fordere ein Schiedsgericht, wie es in unserem Statut steht! Niemand darf ungestraft einen Schauspieler beleidigen!«
    Sie erreichte, was sie wollte. Auf den Lärm hin kamen alle herbei. Doch Elisa

Weitere Kostenlose Bücher