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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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gütig er ist«, flüsterte die Reginina Elisa zu und setzte sich neben sie. »Ich verstehe gar nicht, wie ich ganze sieben Jahre mit diesem Mann zusammenleben konnte! Er ist berechnend und nachtragend, er vergisst nichts! Tut so, als wäre er ein Engel, und schlägt dann still und heimlich zu, wie eine Schlange beißt!«
    Elisa nickte. Sie selbst mochte allzu vernünftige Menschen auch nicht sehr, weder im Leben noch auf der Bühne. In Bezug auf Rasumowski waren sie und die Reginina Verbündete. Elisa wusste alsEinzige in der Truppe, warum die Grande Dame den Räsoneur so hasste, was sie ihm nicht verzeihen konnte.
    In einem Anfall von Offenheit hatte die Reginina ihr die Geschichte erzählt, die Elisa kalte Schauer über den Rücken jagte. Wie unglaublich rachsüchtig betrogene Männer sein konnten!
    Zu der Zeit, als es geschah, spielte die Reginina noch jugendliche Heldinnen. Sie und Rasumowski waren an einem erstklassigen kaiserlichen Theater engagiert. Die Reginina spielte die Marguerite in der »Kameliendame« – in einer äußerst erfolgreichen Bühnenfassung des Romans, in der die Rolle der Kurtisanin von eindringlicher Kraft war. »Ich starb so, dass der ganze Saal heulte und sich schnäuzte«, erinnerte sich die Reginina und war derart ergriffen, dass sie ein Taschentuch brauchte. »Wie Sie wissen, Elisa, galt als die beste Marguerite Gautier damals Sarah Bernhardt. Aber ob Sie es glauben oder nicht, ich war noch besser! Alle Ausländer, die mich sahen, waren ganz aus dem Häuschen. Die Inszenierung wurde in der europäischen Presse erwähnt. Daran können Sie sich nicht erinnern, da waren Sie noch ein kleines Mädchen … Und was meinen Sie? Die Kunde von meiner Marguerite drang bis zu ihr selbst. Ja, ja, zur großen Bernhardt! Sie kam also nach Petersburg. Angeblich auf Gastspiel, aber ich wusste: Sie will mich sehen. Der große Tag kommt also. Man sagt mir: Sie sitzt im Saal! Mein Gott, wie mir da wurde! An jenem Tag waren auch der Zar und die Zarin zugegen, aber die Kenner schauten natürlich nur zu der Loge, in der die Bernhardt saß. Wie würde sie es finden? Ach, wie ich spielte! Ich steigerte mich immer weiter. Später wurde mir erzählt, die große Bernhardt habe dagesessen, mehr tot als lebendig – welk vor Neid. Die Sache ging ihrem Höhepunkt entgegen. Es kommt meine Szene mit Armand, ich liege im Sterben. Den Armand spielte Rasumowski, er war in dieser Rolle auch nicht übel. Alle nannten uns ein umwerfendes Paar. Aber wir hatten uns gerade schrecklich gestritten, just vor der Vorstellung. Ich hatte in einemAugenblick der Schwäche – mir war schwindlig – den Nachstellungen unseres Zweiten Liebhabers Swesditsch (er war ein äußerst liebenswürdiger Mann) nachgegeben, und das hatte irgendwer meinem Mann hinterbracht – nun, Sie wissen ja, wie das bei uns so ist. Gut, ich war schuldig. Also schlag mich, schneide mein Lieblingskleid in Fetzen, betrüge mich aus Rache mit irgendwem! Aber was tat Lew? Ich spreche meinen berühmten Satz: »Mein Geliebter, ich bitte nur um eines: Weinen Sie ein paar Tränen um mich.« Und plötzlich … Sie müssen wissen, Armand hatte sehr schöne buschige, angeklebte Augenbrauen. Und aus denen spritzten zwei Strahlen! Dieser Mistkerl hatte Strohhalme für Clownstränen darunter befestigt! Der Saal bog sich vor Lachen. Auch der Zar und die Zarin lachten. Sara Bernhardt bekam beinahe einen Anfall … Und vor allem – ich liege da in meinem letzten Atemzug, ganz und gar gebrochen, und verstehe überhaupt nichts! Anschließend schrieben die Kritiker zwar von einer revolutionären Auslegung, einem genialen Einfall, der das Tragikomische des Lebens betone und zeige, wie dicht beieinander Drama und Possenspiel liegen. Egal! Er hat mir den wichtigsten Augenblick meines Lebens gestohlen und zunichte gemacht! Seitdem ist dieser Mensch für mich gestorben.«
    »Schrecklich, schrecklich«, flüsterte Elisa. »Ja, so etwas kann man nicht verzeihen.«
    Etwas Niederträchtigeres konnte ein Schauspieler einem anderen nicht antun. Jemandem, der zu einer solchen Grausamkeit fähig war, war alles zuzutrauen.
    Der listige Noah Nojewitsch hatte die geschiedenen Gatten natürlich nicht zufällig in seine Truppe geholt. Laut seiner »Spannungstheorie« mussten sich die Beziehungen in einer Truppe ständig am Rande einer Explosion bewegen. Neid, Eifersucht, ja Hass – starke Gefühle schufen den produktiven energetischen Fundus, der bei geschickter Führung durch den Regisseur und

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