Moskito
wegen; und Melanie, weil sie sich so sehr und so aggressiv in diese Sache verkrallte, daß sie ihre Selbstbeherrschung verlor. Die Drahtzieher der Vertuschung mußten in ekstatische Begeisterung verfallen sein, als Melanie der miesen kleinen Rotznase in dem Burger King eine Abreibung verpaßte … Und davor hatte schon irgendein abtrünniges CIA-Mitglied versucht, sie abzuschrecken, indem er diesen bösartigen Ed Lewis von der Abteilung für schmutzige Tricks (oder wie immer sie das nannten) für diese obszönen anonymen Anrufe einsetzte. Sie dachten, die Anrufe würden sie aus der Stadt jagen. Sie kannten Melanie Anderson nicht.
Und das war es. Alle Fakten erklärt, das Szenario komplett. Bis auf zwei entscheidende Details: Warum wurde Malaria reading geschaffen? Und wie konnte sie sich selbständig machen? Ohne diese Antworten war alles, was Cavanaugh hatte, ein Haufen phantasievolle Mutmaßungen.
Letzten Endes gab es noch andere mögliche Szenarien. Dieses etwa: Die Epidemie war nicht von der CIA ins Leben gerufen worden, sondern von einer in- oder ausländischen Terroristengruppe – einer mit ausreichend Geld und Bösartigkeit. Einen bestimmten logischen Grund brauchte es dafür nicht, denn selbst zu den besten Zeiten waren diese Gruppen nicht sehr logisch in ihrem Vorgehen. Sie setzten die Krankheit im südlichen Maryland frei, das zu 25 Prozent schwarz war und arm genug, daß die Malaria sicheren Fuß fassen konnte, ehe man sie überhaupt erkannte. Arme Schwarze, die sterben – davon nimmt man nicht wirklich Notiz. Aber da erwischt es zufällig einen Senator der Vereinigten Staaten bei einer Familienfeier im Freien. Man kann schließlich nicht jedes Detail voraussehen. Das Zentrum für Seuchenkontrolle und die Armee stoppen die Epidemie, das FBI macht mit der Festnahme Donohues einen wirklichen Fehler, und Farlow und Dunbar werden befördert, weil sie es verdienen. Dunbar ist nervös, weil seine Frau eine Affäre hat, sein Kind Drogen nimmt oder er selbst an Hämorrhoiden leidet. Ed Lewis kennt Melanie aus dem TV, weiß, was für ein Prachtweib sie ist, und begeilt sich an schwachsinnigen Anrufen, die Melanie in seiner Phantasie erniedrigen. Cavanaugh wird von der Sache abgezogen, weil er eine zu Recht bestehende Vorschrift übertreten hat, und Melanie wird beurlaubt, weil sie, für alle erkennbar, einen Urlaub dringend braucht. Und er, Cavanaugh, ist ein Esel mit allzu blühender Phantasie.
Er brauchte Beweise. Egal wofür.
Er griff nach dem Telefon; es war tot. Er sperrte die Tür auf, um zum öffentlichen Fernsprecher beim Empfang zu gehen, aber die Zimmerfrau stand davor, rauchte eine Zigarette und blockierte ihm den Weg, so unbeweglich wie ein festgewurzelter dorniger Baum.
»In zweiundzwanzig Minuten müssen Sie das Zimmer geräumt haben«, sagte sie.
»Ja, richtig«, erwiderte Cavanaugh und nickte. Jetzt auf einmal sah sie auf die Uhr! Nun, der öffentliche Fernsprecher war ihm ohnehin zu öffentlich, ebenso wie sein eigenes – und jedes andere – Handy. Also ging er zurück in sein Zimmer, holte seine immer unordentlicher werdenden Siebensachen und warf sie in seinen nie ordentlich gewesenen Wagen. Abigail quetschte sich auf den Haufen aus Decken, Hemden und einem Videorecorder, und Cavanaugh verließ das Motel ›Föhrenwald‹, um ein funktionierendes, ihm allein gehörendes, von keiner Zimmerfrau heimgesuchtes Telefon zu finden.
»Officer Tess Muratore, bitte.«
»Wer spricht?« Die Stimme bei der Maryland State Police klang gelangweilt. Aber anscheinend war Tess im Haus – ein glücklicher Zufall, mit dem Cavanaugh nicht gerechnet hatte. Er hatte erwartet, eine Bitte um Rückruf hinterlassen zu müssen, der sie möglicherweise nicht nachgekommen wäre, wenn sie sich nicht erinnerte, wer er war. Sie hatten einander erst bei zwei, drei Parties zu Gesicht bekommen.
»Mein Name ist Robert Cavanaugh.«
Nach ein paar Sekunden, die Cavanaugh damit verbrachte, die unoriginellen Graffiti in der Telefonzelle zu entziffern, meldete sich Tess. »Ja?«
»Tess, hier spricht Robert Cavanaugh, Judys Freund.«
»Nicht mehr, nach allem, was ich gehört habe.«
Sie erinnerte sich an ihn. Was hatte Judy ihr erzählt?
»Ich bin beim FBI, und …«
»Nein, momentan sind Sie das nicht.«
»Vermutlich haben Sie in der Post gelesen, daß ich vorübergehend suspendiert wurde. Wegen einer Geringfügigkeit. Was nicht geringfügig ist, das ist die Malaria reading, und ich versuche …«
»Ich habe kein
Weitere Kostenlose Bücher