Moskito
›Feindnation‹ …«
»Hat den gleichen Impfstoff entwickelt? Rein zufällig, natürlich? Das glaube ich nicht, Broylin!«
»Ich wollte sagen, die ›Feindnation‹ ist der Irrtum in Ihrer Überlegung, Doktor Anderson. Keine Feindnation hat den Impfstoff entwickelt. Und es weiß auch keine, daß die Vereinigten Staaten ihn besitzen.«
»Was, zum Teufel, soll das heißen?«
Broylin antwortete nicht. Er sah Cavanaugh an, der mit dem Überfliegen der wenigen Dokumente fertig war. Er wünschte, er hätte mehr Zeit, um sie genauer zu studieren, aber er wußte, diese Chance würde er nie bekommen. Er würde diese Papiere nie mehr zu Gesicht bekommen.
Die Festigkeit seiner Stimme überraschte ihn, als er sprach. »Es war dasselbe Land, Melanie, das die Epidemie im Kongo auslöste und auch beendete. Und ja, es war ein Test. Das Land besaß die Moskitos mit dem gentechnisch veränderten Erreger, weil es ihn geschaffen hatte. Und es besaß den Impfstoff, weil wir ihn diesen Leuten gaben.«
»Wie?« sagte Melanie.
Cavanaugh sah nicht sie an, sondern Broylin. »Wir gaben ihnen den Impfstoff, weil sie keineswegs eine Feindnation sind. Es handelt sich um einen unserer Verbündeten.«
»O mein Gott«, sagte Melanie.
Broylin schwieg. Er würde weder bestätigen noch dementieren, erkannte Cavanaugh, wenigstens jetzt noch nicht. Broylin würde ihn das tun lassen, wozu ihn das FBI ursprünglich eingestellt hatte: um sich einen Reim auf Dinge zu machen.
Er machte sich einen Reim darauf.
»Innerhalb unserer Grenzen übernimmt auch das FBI die Abwehrtätigkeit gegen ausländische Agenten. Deshalb handelte es sich um einen gemeinsamen Einsatz von FBI und CIA, als man das Labor hochgehen ließ, in dem die Malaria reading erschaffen wurde. Der fremde Staat arbeitete in unserem Land an der entsprechenden Gentechnik, weil … weil …«
Unwillkürlich mußte Melanie ihm zu Hilfe kommen. »Weil in den USA die technischen Voraussetzungen und das Fachwissen vorhanden sind und weil alles viel einfacher zu verbergen ist als anderswo. Wissenschaftliches Zubehör kann offen und ohne Rechtfertigung von tausend verschiedenen Quellen eingekauft werden.«
»Genau«, nickte Cavanaugh. »Und wir haben einen unserer Verbündeten auf frischer Tat ertappt, direkt unter unserer Nase.« Guter Gott, all die Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen, die da wohl hinter verschlossenen Türen hin und her geflogen waren! Und über abhörsichere heiße Drähte! Im Diplomatengepäck! Es mußte der reinste Affenzirkus gewesen sein.
»Also haben sich die Vereinigten Staaten die infizierten Anophelesmücken angeeignet und nach Fort Detrick geschickt, wo sie zu Forschungszwecken weitergezüchtet wurden, um einen Impfstoff zu entwickeln … Apropos – wohin sollten die Moskitos gebracht werden, als dieser Wagen vor der Potomac-Brücke den Rehbock erwischte?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete Broylin.
Zu einem Pharmaunternehmen, nahm Cavanaugh an. Seit jeher verlegte Fort Detrick gewisse Phasen der Biowaffenentwicklung außer Haus und beauftragte Privatfirmen mit der Arbeit. Oder vielleicht waren die Moskitos zu einer anderen Militäreinrichtung unterwegs gewesen. Doch im Grunde war das egal; dieser spezielle Posten Mücken war ohnehin nie dort angekommen.
»Sprechen Sie weiter«, forderte Broylin Cavanaugh auf.
»Detrick gelang es, den Impfstoff zu entwickeln. Unmittelbar bevor die Mücken entkamen. Oder kurz danach. Man konnte den Impfstoff hier nicht einsetzen, aber das war ja nicht notwendig. Dieser fremde Staat wußte jedoch, daß die Vereinigten Staaten an einem Gegenmittel arbeiten mußten. Der einzig logische Schluß. Und dieser fremde Staat wollte das Gegenmittel um jeden Preis haben. Aber wir trauten diesen Leuten nicht …«
»Nein, wie überraschend!« warf Melanie bitter ein.
»… also zwangen sie uns zu seinem Einsatz. Sie riefen eine zweite Epidemie hervor, und zwar an einem Ort, wo die wissenschaftliche Welt nur dann etwas davon bemerken würde, wenn sie danach Ausschau hielt. Im Kongo. Wo die Malaria reading sich in grauenvoller Weise ausbreiten konnte, wenn die Vereinigten Staaten nicht den einzig gangbaren Weg zu ihrer Beendigung lieferte. Den Impfstoff.«
»Und das soll einer unserer Verbündeten sein?« fragte Melanie ungläubig. »Wer ist es?«
Doch Cavanaugh kam zum Schluß seiner Überlegungen. »Also gaben wir, um die Todesfälle in Afrika zu stoppen, unserem Verbündeten den Impfstoff. Weil wir keine andere
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