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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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Gewissen habe ich jedenfalls nicht, wenn ich das Geld verprasse.«
    »Besuchst du sie manchmal?«
    »Eigentlich nicht«, sagt Sean. »Ich habe sie einmal besucht, als ich sieben Jahre alt war, an Thanksgiving. Aber es war zu schräg. Sie hat mich zuerst gar nicht erkannt, weil sie so mit Drogen vollgepumpt war.« Er isst den Apfel fertig und wirft den Butzen quer durch den Raum in einen schwarzen hölzernen Papierkorb. Er landet mit einem dumpfen Laut.
    »Das ist ja schrecklich.«
    »So ist es nun mal.« Sean schüttelt den Kopf und lächelt. »Sorry, ich wollte nicht die Stimmung versauen. Ich rede normalerweise mit niemandem über diese Sachen. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich dir alles sagen kann, und das ist eine große Erleichterung.«
    »Das kannst du«, nicke ich. Ich spüre einen Druck in der Brust. Es ist merkwürdig, zur Abwechslung mal der Zuhörer zu sein, für jemand anderen da zu sein. »Du kannst über alles reden, was du willst.«
    Sean setzt sich auf die Ledercouch und schaut zu mir hoch.

    »Dann lass uns über Zimmerservice reden. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich stundenlang Auto gefahren bin und dabei Fremden beim Sex zuhören musste, kriege ich immer Lust auf Cheeseburger und Champagner.«
    »Lustig«, nicke ich. »Genau das Gleiche habe ich auch gerade gedacht.«
    Ein paar Minuten später schiebt ein Page einen silbernen Rollwagen herein, auf dem zwei Cheeseburger, eine Magnum-Flasche Champagner in einem silbernen Eimer und ein riesiges Stück Schokoladenkuchen stehen. Der Kellner parkt den Wagen neben der Couch und schenkt den Champagner in zwei Flöten. Er schaut auf Seans schwarze Chucks und seine unordentliche Skaterfrisur, auf meine abgeschnittenen Jeans und mein schwarzes Trägerhemd. Er schüttelt leicht den Kopf. Sean unterschreibt die Rechnung. Eine Minute später sind Sean und ich wieder allein.
    Er setzt sich auf die eine Seite der Ledercouch und ich auf die andere. Sean reicht mir ein Glas. Ich habe erst einmal Champagner getrunken, bei Amanda. Ihre Eltern feierten eine Party und Eric klaute eine Flasche. Amanda und Eric haben fast die ganze Flasche alleine ausgetrunken, ich hatte nach einem winzigen Schluck genug.
    »Darauf, verstanden zu werden«, sagt Sean. Wir stoßen an und in meinem Bauch flattert ein Schmetterling auf. Der Champagner ist sehr kalt. Ich komme mir vor, als spielte ich eine viel ältere und weltgewandtere Person, als ich ihn trinke. Eine Sekunde später ist mein Glas leer.
    Seans auch. Er lehnt sich zurück und greift nach der Flasche. »Gläser sind für Weicheier«, sagt er. Er hebt die Flasche
an den Mund und nimmt einen langen Zug. Dabei starrt er mich an und lächelt, als wollte er mich herausfordern. Er reicht mir die Flasche, hält aber den Blickkontakt.
    »Darauf, dass wir keine Weicheier sind«, sage ich. Ich hebe die Flasche, als wollte ich einen Toast aussprechen, und Sean stößt leicht mit der Faust dagegen. Ich nehme einen Schluck und gebe die Flasche zurück. Das machen wir eine Zeit lang, reichen uns die Flasche hin und her, hin und her, hin und her, bis schließlich der Champagner beinahe alle ist. Sean lehnt sich zurück und starrt mich an. Starrt mich richtig an.
    »Was ist?«, frage ich. Ich fasse mir ans Gesicht.
    Sean beugt sich vor und zieht meine Hand sanft weg. »Ich schaue dich nur an«, sagt er. Und er lächelt so zärtlich, dass ich diesmal nicht einmal erröte. Ich schließe nur einen Moment lang die Augen und denke, dass es zwar eine Menge harte und beängstigende Dinge auf der Welt gibt, aber auch wirklich schöne. Zum Beispiel teuren Champagner in einem Luxushotel mit einem Typen trinken, in den du dich gerade bis über beide Ohren verliebst. Ein Typ, der ganz vielleicht auch ein bisschen in dich verknallt ist.
    Aber dann fällt mir plötzlich etwas ein und meine Augen klappen auf. Der Champagner hat meine Hemmungen weggespült, also mache ich den Mund auf und frage:
    »Hast du eine Freundin?«
    Er stellt die Flasche ab und schaut mich an. »Wieso fragst du das?« Augenblicklich bereue ich meine Frage. »Oh, wegen dem, was Amanda vorher am Telefon gesagt hat?« Er legt eine Pause ein. »Ja, ich habe mich schon gefragt, wann du darauf zu sprechen kommen würdest.«

    »Du hast das gehört?«, frage ich. »Oh Gott.«
    »Deine Lautstärke ist ziemlich hoch eingestellt«, sagt Sean lächelnd.
    »Das tut mir so leid«, sage ich. »Amanda ist nur…«
    »Vergiss es«, winkt Sean ab. »Geschichten werden immer

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