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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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Kapitel 21

    Und dann sind wir allein. »Ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht darüber, dass ich den Jamies ein eigenes Zimmer gegeben habe«, sagt Sean. »Ich dachte, vielleicht möchten sie ein bisschen Privatsphäre.« Er grinst.
    Ich grinse zurück. »Meinst du nicht, sie hatten im Auto schon genug Privatsphäre?«
    »Na ja, vielleicht möchten ja wir ein bisschen Privatsphäre«, sagt er. Das ist ein Witz, aber ich werde trotzdem rot.
    Ich schaue mich in dem Zimmer um, das mindestens so groß ist wie das gesamte obere Stockwerk unserer Wohnung, womöglich sogar größer. Es ist in schokoladigem Braun, strahlendem Weiß und Dunkelrot dekoriert. An einer Seite gibt es eine Sitzgruppe, einen Couchtisch aus Holz und Glas, der von einem riesigen braunen Ledersofa umschlungen wird. In der Mitte des Tisches steht eine Glasschüssel mit perfekt aussehenden roten Äpfeln. An der Wand hängt ein riesiger Flachbildfernseher, und daneben steht ein riesiges französisches Bett mit einer makellos weißen Tagesdecke und ungefähr fünfzig Kissen in Dunkelrot und Schokoladenbraun. Es duftet leicht nach Honig.
    »Weil wir so spontan gebucht haben, gab es leider keine
Zimmer mit getrennten Betten mehr. Tut mir leid. Ich schlafe auf der Couch.«
    Ich nicke nur. Ein Bild von mir und Sean zusammen in diesem Bett versucht, sich in mein Gehirn zu graben, aber ich lasse es nicht zu. Auf beiden Nachttischen steht jeweils ein kleiner Korb mit schönen Dingen: Eine seidene Schlafmaske, Wäschespray mit Lavendelduft, ein Flakon, ein Döschen, und obendrauf eine Karte aus dickem Papier mit den Worten: »Bitte bedienen Sie sich«. Ich nehme die Schlafmaske in die Hand.
    »Das Hotel ist ja unglaublich«, sage ich. Ich halte die Schlafmaske an meine Wange. Der Stoff fühlt sich kühl und glatt an.
    Sean schaut mich an und klopft sich mit dem Finger an die Unterlippe. Dann grinst er. »Ja, es ist ganz nett. Manchmal sind solche Hotels ein bisschen lächerlich.« Er greift in die Schüssel, holt einen Apfel heraus, wischt ihn an seinem Hemd ab und beißt hinein.
    »Wir hätten auch irgendwo anders pennen können.«
    »Ich weiß«, sagt Sean. »Aber das macht doch Spaß, oder? Ich habe gar nichts gegen schäbige Absteigen, aber manchmal muss ein bisschen Luxus sein.«
    »Aber es ist wahnsinnig teuer.«
    »Oh.« Sean wedelt abwehrend mit der Hand. »Mach dir darüber keine Sorgen, wirklich. Gar keine. Meine Familie ist, sagen wir mal, wohlhabend.«
    »Wie wohlhabend genau?« Ich schlage mir erschrocken die Hand vor den Mund. »Sorry, ich ziehe die Frage zurück. Das war unhöflich.«

    Sean lacht. »Du darfst mich alles fragen, was du willst.«
    »Okay, dann ziehe ich den Rückzug zurück. Wie reich seid ihr?«
    »Sagen wir es so: Ich habe mal sechs Wochen am Stück in einem solchen Hotel gewohnt und meinem Vater ist es auf der Kreditkartenabrechnung gar nicht aufgefallen.«
    »Verdammt«, sage ich.
    »Ja«, nickt Sean. »Es ist nicht einmal sein Geld. Es gehört meiner Mom, aber sie ist nicht da, und so sehe ich es als meine Pflicht an, es auszugeben, bevor meine Stiefmutter es in die Hände bekommt.«
    »Ist deine Mom …« Ich verstumme. Ich spüre einen Schmerz in der Brust, einen richtigen Schmerz.
    »Nicht tot«, sagt Sean und schüttelt schnell den Kopf. »Nur nicht da.«
    »Wo ist sie?«
    »Sie lebt in einer ›Betreuten Therapeutischen Wohnanlage‹, das ist im Grunde genommen eine Nervenklinik für Reiche.«
    »Warum ist sie dort?«
    »Weil ihr das Essen so gut schmeckt?« Er grinst. »Außerdem ist sie völlig durchgeknallt.«
    »Vermisst du sie?«
    »Ich vermisse es, eine Mutter zu haben«, sagt Sean. »Das ganze Konzept. Aber ich erinnere mich nicht gut genug an sie, um sie zu vermissen. Sie ging dort zu einer ›Kur‹, als ich sechs war, und kam nie wieder zurück. Kaum ein Jahr später zogen meine Stiefmutter und mein Stiefbruder bei uns ein. Mein Stiefbruder ist derjenige, der… Du weißt schon. Jedenfalls hat mein Vater immer noch die Verfügungsgewalt über
ihr Vermögen, obwohl er wieder geheiratet hat, weil sie für ›unzurechnungsfähig‹ erklärt und entmündigt wurde. Er kann ihr Geld ausgeben, wie er will.«
    »Das ist verrückt«, sage ich.
    »Stimmt«, nickt Sean. »Jetzt brauche ich noch einen bösen Zwillingsbruder, der mich in ein Brunnenloch schmeißt, dann könnte meine Familie in einer Daily Soap aufreten.« Er geht zu dem glänzenden Mahagonischreibtisch. »Aber was soll ich machen? Ein schlechtes

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