Mount Dragon - Labor des Todes
füllte die Flasche an einer Quelle, die einen Tagesritt entfernt war, und galoppierte zurück. Als er aber an die Stelle kam, an der er Mondragon verlassen hatte, war dieser samt dem Gold verschwunden.«
Als Singer eine kurze Pause machte, übernahm Harper die weitere Erzählung. »Als die Inquisition erfuhr, was geschehen war, ließen sie Mondragon entlang der Straße suchen. Etwa fünf Wochen später entdeckte jemand am Fuß des Mount Dragon ein totes Pferd, das an einem Pfahl angebunden war. Es war das Pferd von Mondragon.«
»Am Mount Dragon?« fragte Carson. Singer nickte. »Der Camino Real, der Handelsweg der Spanier, führte durch das heutige Laborgelände um den Fuß des Berges herum.«
»Wie dem auch sei«, fuhr Harper fort, »sie suchten jedenfalls überall nach einer Spur von Mondragon, fanden aber nichts weiter als sein kostbar besticktes Wams, das in der Nähe des Pferdes im Sand lag. Mondragons Leiche und das mit dem Goldschatz beladene Maultier blieben verschwunden. Ein Priester verspritzte etwas Weihwasser am Fuß des Mount Dragon, um die Umgebung von Mount Dragons bösem Zauber zu reinigen, und ließ auf dem Gipfel des Berges ein Kreuz errichten. Bald nannte man diesen Ort La Cruz de Mondragon, das Kreuz des Mondragon, was später amerikanische Händler, die die alte spanische Straße entlangzogen, zu Mount Dragon verballhornten.« Harper trank den Rest Bier aus seiner Dose und atmete tief und zufrieden aus.
»Ich habe als Kind viele Geschichten von vergrabenen Schätzen gehört«, sagte Carson. »Die sind hier so gewöhnlich wie blaue Zecken auf einem roten Fersenbeißer. Und meistens frei erfunden.«
»Blaue Zecken auf einem roten Fersenbeißer!« lachte Harper. »Endlich mal jemand mit einem Sinn für Humor!«
»Was ist denn ein roter Fersenbeißer?« fragte Vanderwagon.
Harper lachte noch lauter. »Mein Gott, Andrew, was seid ihr Yankees bloß für Ignoranten. Ein Fersenbeißer ist ein Hund, den man zum Zusammentreiben von Rindern verwendet. Er heißt so, weil er die Kühe in die Fersen beißt, damit sie dorthin laufen, wo er will. Direkt vors Lasso seines Herrchens.« Er schwang ein imaginäres Lasso durch die Luft und schaute hinüber zu Carson. »Bin ich froh, endlich mal jemanden hierzuhaben, der kein verdammtes Greenhorn ist.«
Carson grinste. »Als Kinder haben wir immer nach dem verschwundenen Adams-Schatz gegraben. Wenn man all den Geschichten Glauben schenkt, müßte hier in diesem Staat eigentlich mehr Gold liegen als in Fort Knox.«
»Wenn«, schnaubte Vanderwagon. »Wenn das Wörtchen wenn nicht war...Solche Geschichten glaubt vielleicht unser lieber Harper, aber der kommt schließlich aus Texas, wo die Schlüsselindustrie die Herstellung und der Vertrieb von Bockmist ist. Ich glaube, ich gehe lieber mal eine Runde schwimmen.« Er drückte seine Bierdose in den Sand und stand auf. »Ich komme mit«, sagte Harper.
»Na los, Guy! Was ist mit Ihnen?« rief Singer, der den beiden Wissenschaftlern folgte und sich im Gehen das Hemd auszog.
»Ich komme nach«, sagte Carson und sah zu, wie sie hintereinander mit viel Lachen und Schieben die Leiter hinaufdrängten. Er trank sein Bier aus und stellte die Dose beiseite. Irgendwie kam es ihm grotesk vor, hier mitten in der Jornada-del-Muerto-Wüste zu sitzen und einen Kilometer vom Explosionsort der ersten Atombombe entfernt die brillantesten Mikrobiologen der Welt wie die kleinen Kinder in einer Viehtränke herumplanschen zu sehen. Doch gerade weil das Ganze so surreal war, wirkte es wie eine Droge auf ihn. So mußten sich die Wissenschaftler gefühlt haben, die vor fünfzig Jahren am Manhattan-Projekt, der Entwicklung der ersten Atombombe, gearbeitet hatten. Carson zog sich Jeans und Hemd aus und lehnte sich, nur mit der Badehose bekleidet, zurück in den Liegestuhl. Er schloß die Augen und konnte sich zum erstenmal seit vielen Tagen wirklich entspannen.
Einige Minuten später trieb ihn die erbarmungslose Hitze wieder hoch. Er setzte sich auf und holte sich eine frische Dose Bier aus der Kühltasche. Als er sie öffnete, hörte er durch das Gemurmel der verschiedenen Unterhaltungen ringsum ganz deutlich de Vacas lautes Lachen. Sie stand auf der anderen Seite der Viehtränke, strich sich die langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht und unterhielt sich mit ein paar Assistenten. Ihr weißer Bikini leuchtete auf ihrer braunen Haut. Wenn sie Carson entdeckt hatte, dann ließ sie es sich nicht anmerken. Während Carson hinübersah, kam
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