Mount Maroon
geschlossen hatte, öffnete sich einen Spalt. Eine junge Schwester schaute in Martys Richtung, warf ihm einen Handkuss zu, kicherte und schloss die Tür wieder.
- „Nicht, was Sie denken, wir hatten … beruflich miteinander … zu tun.“
Die Umständlichkeit seiner Ausdrucksweise hätte leicht einen anderen Eindruck vermitteln können, aber Peter glaubte ihm. Marty wirkte auf ihn wie jemand, dem man einfach alles glauben konnte. Lüge und Täuschung passten nicht zu der Offenheit des schlanken Mannes mit den leicht gewellten, dunkelblonden Haaren und der modischen Titanrahmenbrille. Peter sah ihn zum Aktenschrank neben der Tür gehen und anschließend mit einer Mappe in der Hand auf die beiden bequem aussehenden Sessel abseits des Schreibtisches zusteuern.
- „Kommen Sie hier herüber. Das Hemd steht Ihnen übrigens gut. Und wie es aussieht, haben wir auch Ihre Größe erwischt. Sie brauchen ja nicht länger als Gespenst herumzulaufen.“
Peter trug eine blaue Jeans und das hellblaue Hemd, das man ihm dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hatte. Auch schwarze Lederslipper hatten sie ihm besorgt.
- „Ja, vielen Dank.“
Nun endlich streckte Marty ihm seine Hand entgegen.
- „Mein Name ist Marty Chambers …“
Ein einnehmendes Lächeln überzog sein Gesicht. Es endete nicht wie bei Dr. Jenkins an der Oberlippe, sondern umfasste die leuchtend blauen Augen und zauberte ein Grübchen auf seine rechte Wange.
- „Ich bin Psychologe und möchte mit Ihnen über den Unfall sprechen. Wenn Sie wollen, können Sie mich Marty nennen. Das tun alle hier.“
- „Peter.“
Sie setzten sich. Marty blickte kurz in die Notizen, bevor er den Faden wieder aufnahm.
- „Peter, Sie haben offenbar keine Erinnerungen an den Unfall. Ich möchte Ihnen daher kurz schildern, was mir bekannt ist.“
- „Entschuldigen Sie, Marty. Aber bevor wir loslegen, würde ich gerne wissen, ob man inzwischen meine Frau erreicht hat.“
- „Soweit ich weiß, leider nicht, aber wir werden es weiter versuchen.“
- „Ich werde es selbst versuchen.“
Peter stand auf und ging zum Schreibtisch. Er nahm den Hörer in die Hand und wählte die Nummer seiner Wohnung, aber die Leitung blieb tot. Marty trat zu ihm, lächelte fürsorglich.
- „Man muss einen Code vorwählen. Ich werde das für Sie machen. Sagen Sie mir die Nummer?“
Peter nahm einen Zettel und schrieb seine Nummer darauf. Marty wählte und reichte Peter den Hörer. Es tutete, aber niemand nahm ab.
- „Ich verstehe das nicht.“
- „Hören Sie, ich werde dafür sorgen, dass Sie nachher ein eigenes Telefon bekommen, dann können Sie es selbst weiterversuchen. Aber lassen Sie uns jetzt Ihren Unfall aufarbeiten.“
Die beiden Männer ließen sich erneut in die Sessel sinken und Marty berichtete davon, dass Peter am späten Vormittag des 12. Juli von einer Ambulanz ins St. George Hospital in Cincinnati eingeliefert wurde. Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma, war nicht bei Bewusstsein und wies leichte Verbrennungen sowie einige Schürfwunden auf, die er sich bei einem Autounfall zugezogen hatte. Nach Angaben des Fahrers, der ihn aus dem brennenden Wagen gerettet hatte, war er per Anhalter unterwegs und erst kurz zuvor zugestiegen. Der Wagen hatte sich mehrfach überschlagen und Feuer gefangen. Die Unfallursache war laut Polizeibericht ein entgegenkommendes Fahrzeug, das von der Spur abgekommen war. Peter schüttelte den Kopf, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
- „Ich erinnere mich überhaupt nicht daran. Wo ist der Unfall passiert?“
- „Oh, auf einer Landstraße, etwa 30 Kilometer südlich von hier, bei …“
Marty sah in die Unterlagen.
- „Flingsville“
- „Und Sie sagen ich war per Anhalter unterwegs?“
- „Ja, Sie trugen Trekkingkleidung und hatten einen Rucksack dabei.“
- „Einen Rucksack?“
- „Das ist alles stark verbrannt. Die feste Kleidung hat Ihnen vermutlich das Leben gerettet. Der Mann, der Sie aus dem Wagen gezogen hat, also der Fahrer, der bei dem Unfall gottlob unverletzt blieb, sagte, Sie hätten noch gebrannt, als er sie geborgen hat. Sie waren da aber schon nicht mehr bei Bewusstsein; vermutlich aufgrund einer Gehirnprellung, denn eine Rauchvergiftung konnte aufgrund des Befundes ausgeschlossen werden. Die Contusio cerebri, die wir diagnostiziert haben, also das Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades, ist vermutlich auch für Ihre Amnesie, den zeitweiligen Gedächtnisverlust, verantwortlich. So etwas kommt vor. Ich werde Ihnen
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