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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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jetzt ein bisschen was dazu erzählen. Wenn Sie Fragen haben, können Sie mich jederzeit unterbrechen.“
    - „Okay.“
    - „Also bei einer unfallbedingten Amnesie sind bestimmte Dinge aus dem Abschnitt des Lebens, der vom Zeitpunkt des Unfalls in die Vergangenheit reicht, im Gedächtnis zeitweilig nicht mehr abrufbar. Die Erinnerungslücke kann Tage, Monate oder auch Jahre umfassen. Man spricht hier von einer retrograden Amnesie. Meistens ist es aber möglich, die Gedächtnislücke durch gezielte Übungen zu schließen. Erinnerungsfetzen tauchen auf, die helfen können, den gesamten Kontext wiederherzustellen.“
    Peter rieb sich mit zwei Fingern das nunmehr glatt rasierte Kinn.
    - „Ich kann mich sonst an alles erinnern, nur nicht an den Unfall.“
    - „Momentan wissen wir noch nicht, an was Sie sich alles nicht erinnern können.“
    Peter verstand die Logik hinter der doppelten Verneinung. Der Gedanke hielt sich einen Moment in seinem Kopf, aber Marty sprach bereits weiter.
    - „Vermutlich haben Sie aber Glück gehabt, denn offenbar sind nur Bereiche Ihres episodischen Gedächtnisses betroffen. Sehen Sie, das Gedächtnis besteht, um es ganz einfach auszudrücken, aus drei unterschiedlichen Teilen, dem deklarativen, dem emotionalen und dem prozeduralen oder Fertigkeitsgedächtnis. Das emotionale Gedächtnis, das unsere Gefühle im Hinblick auf bestimmte Dinge, Personen oder Ereignisse umfasst, ist bei Ihnen nicht in Mitleidenschaft gezogen. Das beweist allein schon die Sorge um Ihre Frau. Auch das prozedurale Gedächtnis, in dem die routinemäßigen Ausführungen bestimmter Fertigkeiten, wie Radfahren, Telefonieren oder Klavierspielen, gespeichert sind, scheint vollkommen intakt zu sein. Ich sehe das zum Beispiel an der Art, wie Sie sich bewegen. Ihr Problem liegt meines Erachtens allein im deklarativen Gedächtnis.“
    Marty machte eine kurze Pause, um Peter Gelegenheit zu geben, das Gesagte zu verarbeiten und Fragen zu stellen. In Peters Blick rangen Beruhigung und Besorgnis um die einstweilige Vorherrschaft, weswegen sich Marty schließlich beeilte, die Faktenlage zu nähren.
    - „Das deklarative Gedächtnis …“, fuhr er langsam fort. „Das deklarative Gedächtnis spaltet sich wiederum in drei Teile, das semantische Gedächtnis, das Vertrautheitsgedächtnis und das episodische Gedächtnis. Während im semantischen Gedächtnis das gesamte Faktenwissen abgelegt ist, also beispielsweise, dass Madrid die Hauptstadt von Spanien ist oder der Wal ein Säugetier, aktiviert das Vertrautheitsgedächtnis die Informationen darüber, ob uns irgendetwas bekannt vorkommt. Wir wissen, dass wir einen Film schon einmal gesehen haben, oder wo wir lang fahren müssen, wenn wir nach Hause wollen. Diese Gedächtnisinhalte sind von Ihrer Amnesie ebenfalls nicht betroffen. Einzig der Bereich des episodischen Gedächtnisses macht Ihnen Schwierigkeiten. Hier sind alle Angaben gespeichert, die mit wichtigen Ereignissen in Ihrem Leben in Beziehung stehen. Wir nennen es daher auch das autobiographische Gedächtnis. Es sagt uns, was wir gestern Abend gemacht haben oder letzten Donnerstag oder im vorletzten Urlaub. Und es enthält auch Informationen über Personen, die mit uns zu tun haben.“
    Marty endete und die beiden Männer saßen sich einen Moment lang schweigend gegenüber.
    - „Wir sollten daher mit den Personen aus Ihrem Umfeld anfangen.“
    Marty fragte Peter nach seiner Frau und seiner Tochter, ihren Geburtsdaten und ihrer Adresse. Peter vermutete, er tue dies, um sie mit den Angaben zu vergleichen, die er Ann gegeben hatte. Danach erzählte Peter seine Lebensgeschichte. Marty war ein geduldiger Zuhörer, der sich immer wieder Notizen machte, ab und an mehr Ausführlichkeit einforderte und nach einer Weile recht abrupt Einhalt gebot.
    - „Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern, Peter? Denken Sie einen Moment nach. Ich hole uns einen Kaffee.“
    Peter war allein. Er blickte sich in Martys Büro um. Die übliche Einrichtung, ein Schreibtisch, zwei Aktenschränke, Bücherregale, ein Kunstdruck nach einem Bild von Mark Rothko, drei Grünpflanzen auf der Fensterbank und eine größere, buschartige in einem großen Topf auf dem Boden. Der dunkelgrüne Teppich beruhigte die Atmosphäre. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Kalender. Das aktuelle Blatt zeigte einen See vor einem bewaldeten Hügel. Peter fixierte das Bild. In seinem Kopf rumorte es. Nach etwa fünf Minuten trat Marty ein und stellte zwei dampfende

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