Mount Maroon
Sicherheitssystem keine neuen Erkenntnisse gab. Sämtliche stromführenden Zäune, Infrarotkameras und Bewegungsmelder waren überprüft worden, Personalakten durchleuchtet und Besucherlisten gesichtet. Dabei fand sich nicht die geringste Auffälligkeit. Wirklich ärgerlich war, dass die Videokameras im Tunnelinneren nicht in Betrieb waren. Der Tunnel selbst gehörte allerdings auch nicht zu Bartletts Zuständigkeitsbereich. Dieser endete an der Außengrenze des inneren Laborbereichs. Kameraaufzeichnungen dienten hier weniger der Abwehr Unbefugter, als vielmehr Forschungszwecken. Und da man sich davon an jenem Abend offenbar keine versuchsrelevanten Resultate versprach, hatten die Techniker die Kameras nicht eingeschaltet. Shanes heisere Stimme unterbrach seinen Gedankengang.
- „Mr. Haze, hatten Sie mittlerweile Gelegenheit, sich von der Authentizität der Laborberichte von 1947 zu überzeugen?“
- „Wir haben einen Schnelltest durchgeführt. Eine Analyse der Bleichstoffe ergab, dass das Papier auf jeden Fall älter ist als 40 Jahre und auch der Schreibmaschinentyp wurde in den vierziger Jahren tatsächlich verwendet. Grundsätzlich wäre eine Fälschung dennoch möglich, wenn man über Originalpapier verfügt und eine entsprechende Maschine benutzt hätte. Was die Sache aber wasserdicht macht, sind die handschriftlichen Notizen am Rand des Textes. Der Grad des Ausbleichens der Tinte ist ein, wie man mir sagte, absolut verlässlicher Indikator für das Alter des Auftragens. Außerdem würde es ja wenig Sinn machen, mich mit hohem technischen Aufwand und ebenso hoher krimineller Energie, von einer derart abenteuerlichen Geschichte überzeugen zu wollen. Das hieße ja, man wolle etwas noch Ungeheuerlicheres verbergen. Und da stößt auch meine Phantasie an Grenzen.“
Raymond Myers und Dr. Jenkins schmunzelten, womit sie einen strafenden Blick von Robert Shane ernteten. Er hatte für derartige Kindereien kein Verständnis.
- „Gut, dann hätten wir das also geklärt.“
- „Ungeklärt ist hingegen, was da unten tatsächlich passiert ist, also warum der Versuch gescheitert ist und …“, Terry Haze machte eine bedeutungsvolle Pause, „… was passiert wäre, wenn das Experiment geklappt hätte.“
- „Nun, dann wäre das Team 1947 im Tunnel aufgetaucht.“
- „Wovon Sie alle hier nichts mitbekommen hätten, außer dass drei Menschen verschwunden wären. Wie hätte das eigentlich ausgesehen? Wäre dann die ganze Kapsel verschwunden?“
- „Exakt, alles was sich zu einer ganz bestimmten Zeit mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit an einer ganz bestimmten Stelle, nämlich bei der 3.500-Meter-Marke, im Tunnel befunden hätte, wäre in das Jahre 1947 portiert worden.“
Mr. Haze verwies auf die Gefahr eines veränderten Ablaufs der Geschichte. Bestimmte Entwicklungen, wie die Menschheit sie erlebt hatte, könnten durch unvorhersehbare Ereignisse verhindert werden.
- „Ihre Anmerkung zielt auf einen Umstand ab, der in der Literatur gerne als das Großvater-Paradoxon beschrieben wird“, sagte Lorenz Veitman, der sich zu einer klärenden Stellungnahme veranlasst sah. „Angenommen der Versuch wäre erfolgreich verlaufen und Mr. Mason wäre im Jahre 1947 angekommen. Er begrüßt seinen Großvater, den alten Albert, Gott hab ihn selig. Dann gehen die beiden in O’Bryans Pub und genehmigen sich zur Feier des Tages Unmengen Jack Daniels. Später pokern sie mit einem Kerl namens Joker Cane, der sie betrügt. Alan Mason hat jedoch ein in den 1970er Jahren erschienenes Buch über Falschspielertricks gelesen und klärt seinen Großvater darüber auf, der Cane seinerseits entlarvt, woraufhin Albert Mason von Joker Cane erschossen wird. Der eigentlich Leidtragende ist nun Alan, denn sein Vater wird damit nicht geboren und er selbst niemals gezeugt.“
Veitman war ein Bewunderer des englischen Dramatikers John James Osborne und er ließ keine Gelegenheit verstreichen, auch sein eigenes dramatisches Talent unter Beweis zu stellen.
Dr. Jenkins rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Er dachte an ältere Kinder und junge Mütter.
- „Vielleicht sollte man besser jemanden schicken, dessen Vater 1947 schon lebte.“
- „Oh, wir können es natürlich auch zum Vater-Paradoxon umgestalten.“
- „Verschonen Sie uns, Veitman.“
- „Das Prinzip ist immer das Gleiche. Durch die Veränderung der Ausgangslage werden Geschehnisse, die bereits stattgefunden haben, zu einem früheren Zeitpunkt
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