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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Rede dazu noch vielfache Gelegenheit, indem sie das Widereinander und Nebeneinander der verschiedenen Empfindungsgänge veranschaulichen kann. Es offenbart sich hier also eine außerordentliche Fülle musikalischer Gelegenheiten, und zwar für die Musik als Offenbarung seelischen Lebens. Hinzu kommenendlich viele äußere Gelegenheiten, wichtiges äußeres Geschehen, was das bloße Wort nur schwach anzudeuten vermag. Wir haben so viele Gedichte z. B., in denen sich eine lyrische Stimmung, etwa der Schwermut oder des Entsetzens, dadurch im Menschen auslöst, daß draußen die Natur entsprechend belebt ist. Dieses Geschehen in der Außenwelt, das so wichtig ist für die Entwicklung des inneren Geschehens und Empfindens, vermag die Dichtung kaum anzudeuten, jedenfalls nur sehr schwach uns miterleben zu lassen. Hier besitzt die Musik die außerordentliche Fähigkeit, dieses Naturleben künstlerisch vorzuführen, was um so fruchtbarer ist, weil das Draußen gleichzeitig mit der Wirkung aufs Innere vorgeführt werden kann. Nehmen wir das häufige Beispiel der Wirkung einer Sturmnacht auf das Menschenherz. Der Dichter kann nur den Ausweg finden, daß er zunächst in einigen Versen die furchtbare Sturmnacht draußen schildert, worauf sich das gepreßte Herz des Beobachters Luft macht, und so immer abwechselnd. Wenn dagegen dieser Sturm musikalisch ausgedrückt wird, so braucht uns das Wort gar nichts von dem Sturm zu sagen, sondern kann um so stärker das persönliche Miterleben desselben aussprechen. Und so in zahlreichen ähnlichen Fällen, die keineswegs bloß im Naturleben zu liegen brauchen, sondern irgend ein gleichzeitiges Geschehen in der Umwelt überhaupt betreffen können.
    Man erkennt aus dem Angeführten, daß die Gelegenheiten für Musik beim Melodrama in ganz außerordentlichem Maße aufs seelische Leben Bezug haben. Daß die Melodramatiker sehr oft einem groben Unfug verfallen sind und die Dichtung geradezu veräußerlicht haben, indem sie z. B. ganz nebensächliche Geräusche nachahmten, überhaupt einer ganz äußerlichen Tonmalerei verfallen sind, ändert nichts an der Tatsache, daß das Melodrama im wesentlichen von der Musik die Ausführung der in der Wortdichtung zu kurz kommenden seelischen Zustände erheischt.
    Hier offenbart sich auch die außerordentliche Bedeutung dieser Gattung für die Musik an sich. Die Musik erhält hier nämlich die sie gestaltenden Gesetze nicht von fertigen musikalischen Formen,sondern vom inneren seelischen und damit musikalischen Inhalt seiner Dichtung. Nehmen wir nun den Fall an, daß eine solche Dichtung außerordentlich reich an seelischer Entwicklung ist, daß sie überhaupt ein Seelendrama gibt, so wird die Musik fast dauernd aufgerufen werden. Es kann in diesem Seelendrama keine »Nummern« geben, es sei denn, daß etwa die seelische Entwickelung dahin führt, daß der Betreffende ein Lied singt, also nur aus urdramatischen Gesetzen. So bedeutet dieses Melodrama den Bruch mit der gesamten vorangehenden Entwicklung der Oper und stellt eine Verbindung von Musik mit dem Drama dar, bei der die Musik ausschließlich dramatischen Gesehen folgt. Edgar Istel sagt in seiner »Entstehung des deutschen Melodramas« (Seite 15) bei der Besprechung von Vendas »Ariadne« mit Recht: »Ein Schritt nur – nämlich vom gesprochenen Wort zum gesungenen – und Venda wäre der Schöpfer des modernen Musikdramas geworden.« Allerdings erst dann des Dramas, wenn er einen Stoff zu behandeln gehabt hätte, der mehrere Menschen in einer Begebenheit so gegeneinandergestellt hätte, daß die Entwicklung des Ganzen bei diesen Menschen durch seelische Kräfte bedingt worden wäre. Dazu bekam die Musik aber erst die Mittel durch die Beethovensche Sinfonie.
    Aber – und hier liegt ein bedeutsamer, meines Wissens noch nicht beobachteter Punkt vor – auch für die Entwicklung dieser Beethovenschen Sinfonie ist das Melodrama von höchster geistiger Bedeutung geworden. Ich wage nicht zu behaupten, musiktechnischer: denn es fehlen hier die geraden Bindeglieder. Aber wenn wir bedenken, daß Beethovens Lehrer, Christian Gottlob Neefe, einer der wichtigsten Vertreter des Melodramas war, andererseits daran denken, daß auch Beethoven in melodramatischer Art schaffte, so zeigt sich hier nicht nur ein innerer geistiger Zusammenhang, sondern auch wenigstens eine Linie zur äußeren Verbindung.
    Richard Wagner hat als den Angelpunkt der Entwicklung der Beethovenschen Sinfonie erkannt, daß sie in ihren

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