Mozart - Sein Leben und Schaffen
anderer herrlicher da, der den vorigen verdrängt, und das geht immer in einem so fort, so daß man am Ende keine dieser Schönheiten im Gedächtnis aufbewahren kann.«
Es war Beethoven, der später beide Elemente vereinigte und so die Klaviersonate zur Höhe führte. Wir brauchen nur an die C-moll -Fantasie und Sonate zu erinnern, um zu zeigen, daß auchMozarts Sonaten auf der Leiter hoch hinauf führen, die Beethoven dann zu Ende gestiegen ist. Nehmen wir die F-dur , so sehen wir, wie gesteigerte Kontrapunktik das Gewebe der Melodien wieder verdichtet, wie ohne Zwang doch ein strenges Ganzes aus den frei dahinschreitenden einzelnen Stimmen gefügt wird. Und wer sollte nicht viele der anderen Sonaten dauernd lieben: die sinnliche B-dur , die von Leidenschaft durchbebte A-moll , die köstliche D-dur , dann die C-dur mit der Fülle ihrer Melodien, die schier die Unterlegung von Worten gebieten; endlich den bunten Variationenstrauß der A-dur . Aus den anderen Werken kämen dann noch das kleine Rondo in A-moll , das Adagio in H-moll , die kleine E-dur -Gigue, die Ouvertüre mit Fuge im Stil Händels hinzu; auf der anderen Seite die vierhändigen Sonaten in F-dur und G-dur , die F-moll -Fantasie und die Sonate für zwei Klaviere in D-dur . Auch das vierhändige Spiel hat sich für Mozart ganz natürlich aus dem Leben heraus entwickelt, und so hat auch kaum ein Zweiter das Spiel der Hände so glücklich zum Vergnügen der Ausführenden zu gestalten gewußt, wie er. Mozart steht an der Spitze einer großen Klavierentwicklung, der sogenannten Wiener Schule . Er war ein so wunderbarer Meister der Form, daß seine Werke späteren Geschlechtern als Schulbeispiele immer wieder vorgerückt worden sind. Jene Wiener Schule hat ja gewiß eine edle Virtuosität gepflegt, aber doch gerade das Geistige zu sehr verflachen lassen und die schöne Empfindung in zu verdünnten Aufgüssen uns immer wieder vorgesetzt. Das alles trägt dazu bei, daß uns Mozarts Klavierwerke nicht in solchem Maße lebendige Werte sind, wie sie es sein könnten. Auch in unseren Konzertsälen kehren sie nicht oft wieder. Übrigens gehören sie mit Ausnahme der ausgesprochenen Konzerte da auch gar nicht hin. Aber man muß Mozart gegenüber zu der gleichen Erfahrung kommen wie bei jenen klassischen Dichtungen mit deren Lektüre wir in der Schule geplagt werden. Als reife Männer müssen wir zu diesen Werken zurückkehren, und da wird gerade seine wunderbare Harmonie uns beglücken: diese köstliche Schönheit, diese echt männliche Frohlaune, diese sichere Gediegenheit einer ernsten Lebensführung, dieses ganznatürliche Verweilen in einer durchaus bewußt gestalteten Welt der Kunst.
Die Werke, in denen das Klavier mit anderen Instrumenten zusammenwirkt, mögen uns zu Mozarts
Kammermusik
überleiten. Im damaligen Wien erfuhr die Kammermusik ausgiebige Pflege, und zwar, ihrem eigentlichen Berufe entsprechend, als gesellschaftliches Musizieren in engen Räumen. In den Liebhaberkreisen war das Musizieren viel mannigfaltiger als heute. Während das Klavierspiel vorzugsweise von den Damen gepflegt wurde, beeiferte sich die Herrenwelt um alle möglichen Instrumente, so daß eine mannigfache Zusammensetzung von Instrumenten auch außerhalb der eigentlichen musikalischen Berufskreise möglich war. Andererseits darf man auch nicht glauben, daß die Kammermusik vorzugsweise in den Händen der »Liebhaber« gewesen wäre; vielmehr war es Sitte der vornehmen Häuser, Berufsmusiker bei sich Kammermusik spielen zu lassen. Auch Mozart hat dieser prächtigen Musikgattung, in der wie in keiner anderen das fröhliche, gesellige Musizieren sich ausleben kann, bei der andererseits die Zusammenstellung mehrerer irgendwie durch Geist und Klang verwandter Instrumente eine im Klavier niemals erreichbare Fülle harmonischer und polyphoner Ausdrucksmittel ermöglicht, eine ausgiebige Pflege zuteil werden lassen. Die einfachste Zusammensetzung ist die von Klavier und Violine . Vor Mozart war man gewohnt, bei solchen Sonaten die Violinstimme als etwas untergeordnetes, als Begleitstimme aufzufassen. Mozart hat mit dieser Sitte gebrochen und in seinen Violinsonaten, wie eine damalige Kritik sagt, »das Akkompagnement der Violine mit der Klavierpartie so künstlich verbunden, daß beide Instrumente in beständiger Aufmerksamkeit erhalten werden, so daß diese Sonaten einen ebenso fertigen Violin- als Klavierspieler erfordern.« Fünf Terzette für Klavier, Violine und Violincello
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