Mozart - Sein Leben und Schaffen
Liedern seine urdramatische Natur, und das Goethische »Veilchen« ist ihm geradezu zu einer dramatischen Szene geworden. Aber auch andere Lieder gehören hierher. In Weißes »Zauberer« haben wir das Mädchen, das zuerst der Liebe sich bewußt wird; voll tiefsten Schmerzes ist das »Lied von der Trennung«; ein prachtvolles Überströmen tiefster Herzensgefühle bringt die »Abendempfindung«; voll bebender Leidenschaft ist die Lage erfaßt, »als Louise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte«; und »Die Alte« von Hagedorn muß nach des Komponisten Vorschrift »ein bißchen aus der Nase singen«, so deutlich sieht er die Person, die Situation, aus der ein Lied erblüht. Gerade deshalb sind auch ihm die ersten wahrenKinderlieder gelungen ohne Mätzchen, ohne Geistreichelei, sondern echt kindlich, wie er selber Kinder sah und liebte. Fast ebenso zahlreich wie die Lieder sind die einzelnen Arien , die Mozart zumeist für befreundete Künstler in diesen Wiener Jahren schrieb. Es ist, wie Jahn sagt, keine darunter, »welche nicht ein künstlerisches Interesse darbietet, eine ganze Reihe aber zählt zu den Werken ersten Ranges in dieser Gattung«. Sie waren zumeist für Mozarts Freunde oder Bekannte unter den Sängern geschaffen und wurden auch mit Vorliebe in Opern eingelegt, so daß er den Werken anderer auf diese Weise oft genug Erfolge verschafft hat.
Italienisch, wie diese Arien, sind einige reizvolle Kanzonetten für zwei Soprane und Baßstimme, zumeist wohl auch für das Haus Jacquin entstanden. Gerade
mehrstimmige Gesänge
erwuchsen häufig aus Gelegenheiten des Alltags, zumal sie eine besonders beliebte Unterhaltung waren. Da fühlte sich der Gesellschaftsmensch Mozart besonders wohl. Zuweilen kennen wir auch hier den äußeren Anlaß des Entstehens, wie beim bekannten »Bandl-Terzett«. Mozart hatte seiner Frau ein neues Band geschenkt, das diese, als sie mit Jacquin eine Spazierfahrt machen wollte, nicht finden konnte. Sie rief ihrem Mann zu: »Liebes Mandl, wo ist's Bandl?«, worauf alle drei suchten. Jacquin fand es, wollte es aber nicht hergeben, was ihm um so leichter fiel, als er dank seiner Körperlänge das Fundstück weit aus dem Bereich der Arme des kleinen Mozartschen Ehepaares halten konnte. Schließlich fuhr ihm aber der Haushund zwischen die Beine, und so mußte er kapitulieren. Es bedurfte natürlich nur eines Wortes zu Mozart, daß dieses Geschehnis Stoff zu einem komischen Terzett biete, um ihn zur Komposition zu reizen. Den Text machte er sich für solche Fälle dann selber zurecht, und seine alte Lust zur albernen oder auch recht derben Komik lebte sich in diesen Texten ungezügelt aus. Das bezeugen vor allem die Kanons , von denen wir einundzwanzig aus seiner Feder besitzen. Ihre Texte sind vielfach so, daß man sie in den Neuausgaben durch andere ersetzthat, wodurch dann freilich die komische Wirkung zum großen Teil verloren ging; denn diese beruht natürlich meistens auf dem Zusammenprall der gewöhnlichen sprachlichen Ausdrucksweise mit der überkunstvollen Form. Liegt doch gerade in der rechnerischen Genauigkeit, in der zwangvollen Gesetzmäßigkeit der Kanonform auch wieder der Grund ihrer Wirkung aufs breite Volk, vorausgesetzt, daß von einer Qual der Schularbeit nichts gefühlt wird. So hat ja auch der ernste Beethoven mit innigem Behagen manch derbkomischen Kanon geschaffen. Für Mozarts wunderbare Formbeherrschung bot sich gerade hier eine Gelegenheit zu überlegenem Spiel. Ein Beispiel wenigstens sei für die Art, wie manche dieser Stücke entstanden sind, nach Rochlitz' Erzählung gegeben: Mozart speiste den Abend, ehe er von Leipzig nach Berlin reiste, von wo er nach einigen Tagen zurückzukommen dachte, beim Kantor Doles , in dessen Haus er viel und gern verkehrt hatte, und war sehr heiter. Die Wirte, welche der Abschied traurig machte, baten ihn um eine Zeile von seiner Hand zum Andenken; er machte sich lustig über ihr »Pimpeln« und wollte lieber schlafen als schreiben. Endlich ließ er sich doch ein Stückchen Notenpapier geben, riß es in zwei Hälften, setzte sich und schrieb – nicht länger als höchstens 5 bis 6 Minuten. Dann gab er dem Vater die eine, dem Sohn die andere Hälfte. Auf dem einen Blättchen stand ein dreistimmiger Kanon in langen Noten, ohne Worte, als man ihn sang, klang er herrlich, sehr wehmütig. Auf dem zweiten Blättchen war ebenfalls ein dreistimmiger Kanon ohne Worte, aber in Achteln, sehr drollig. Als man nun bemerkte, daß
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