Mozart - Sein Leben und Schaffen
Seele zu jenen Höhen gelangt, auf denen kein Hindernis mehr die Aussicht trübt in die klare Unendlichkeit eines durchsonnten Alls. Das Urteil der Zeit aber traf wohl der Stuttgarter Hofmusikus Schaul, wenn er ausrief:»Welch ein Unterschied ist zwischen einem Mozart und einem Boccherini! Jener führt uns zwischen schroffen Felsen in einen stachligen, nur sparsam mit Blumen bestreuten Wald; dieser hingegen in lachende Gegenden, mit blumigen Auen, klaren rieselnden Bächen, dichten Hainen bedeckt.« Die Zeit liebte diese fruchtbare idyllische Landschaft, und so haben auch Mozarts Quartette keinen äußeren Erfolg gefunden. Er hat dann nur noch durch den preußischen König Friedrich Wilhelm II. die Anregung zu lebhafterer Quartettkomposition erhalten und dabei dem Auftraggeber zuliebe das Violoncello sehr begünstigt.
Hervorragend sind die Quintette , bei denen Mozart im Gegensatz zu Boccherini, der diese Gattung ja besonders gepflegt hat, nicht das Violincello, sondern die Bratsche verdoppelt hat, zweifellos zugunsten der Klangwirkung im ganzen, wie im besonderen der Verteilung der einzelnen Instrumente zu sich ablösenden Gruppen. Hier steht jenes G-moll -Quintett, für dessen geistige Stimmung man den Leitspruch »Durch Nacht zum Licht« wählen könnte, der sonst vor allem für Beethoven charakteristisch erscheint. Der erste Satz ist ganz in Schmerz getaucht, der so gegen sich selber wütet, daß ein ohnmächtiges Zusammenbrechen die Folge ist. Im Menuett springt dann die Tatkraft zum Kampfe dazwischen, durch die der ganze Mensch aufgerüttelt wird, so daß im Trio dieses Satzes einer jener wunderbaren Lichtblicke, wie sie Mozart häufiger bietet, im unvermittelten Nacheinander desselben Motivs in Moll und Dur erscheinen kann, die mit einem Mal die gesamte Stimmung so wandeln, wie wenn durch gewitterschwangere Wolkenmauern urplötzlich die Sonne hervortritt. Wohl klagt das Adagio nochmals in tiefster Trauer; aber der sie empfindet, ist nicht mehr Beute des Schmerzes, sondern ringt sich mit allen Kräften der Seele sieghaft aus ihm empor, daß er nicht bloß zur Ruhe gelangt, sondern zu stolzem Glücksgefühl jauchzender Lust. Wunderbar tief ist hier, wie das zweite Thema dieses freudigen Satzes anklingt an das schmerzliche des ersten, als wollte der Schöpfer uns nachfühlen lassen, daß beide unendlich weit auseinanderliegenden Empfindungen derselben Brust entstammen. –
Es ist das Zeichen echter Musikkultur, wenn die Musik dasgesamte Leben umfaßt, wenn sie überall aus diesem Leben herauswächst. So führt uns auch Mozarts Instrumentalmusik aus dem Hause über die Straße in den Konzertsaal. Auch er hat mehrfach für die Gattung der Harmoniemusik geschrieben, bei der mehrere Blasinstrumente sich zum Musizieren im Freien, vor allen Dingen auch für Ständchen, vereinigten. Gerade die Befreiung der Blasinstrumente ist des Instrumentalkomponisten Mozart besonderes Verdienst. Haydn hat erst durch ihn diese Kunst gelernt, in die Mozart durch die Bekanntschaft mit den hervorragendsten Orchestern der damaligen Zeit fast von selber hineingewachsen war. Mannheim, Paris, München hatte er kennen gelernt, jetzt standen die vorzüglichen Wiener Kräfte zur Verfügung. Neben vielen Privatkapellen besaß die Stadt in den zwei kaiserlichen Orchestern hervorragende Künstlergenossenschaften. Diese Orchester waren damals nicht groß. Der Streichkörper bestand durchweg aus zweiundzwanzig Stimmen, je sechs erste und zweite Violinen, vier Bratschen und je drei Violincelli und Bässe. Die Bläser waren fast immer einfach besetzt. Aber gerade diese Durchsichtigkeit des Klangkörpers mußte Mozarts seinem Klangempfinden eine stete Anregung bieten. Seine
Sinfonien
zeigen die immer wachsende Herrschaft über diese Instrumentalmittel und in steigendem Maße die Beseelung ihrer Sinnlichkeit, also die Verwendung derselben als Ausdrucksmittel des Seelischen.
Auch Kunstformen wachsen nur allmählich zur Vollkommenheit heran. Die zahlreichen Entdeckungen, die die geschichtliche Musikwissenschaft gerade in den letzten Jahren durch eindringliches Studium des 17. und 18. Jahrhunderts gemacht hat, haben erwiesen, daß auch jene Gestaltung der Sinfonieform, wie sie in Haydns Werken vor uns hintritt, langsam herangereift ist. Trotzdem bleibt Haydn der Ruhm, daß er der Sinfonie ihr neues Haus errichtet hat. Wir lieben auch heute noch Haydn, seine Fröhlichkeit muß jeden erquicken. Aber seine Musik allein vermag den heutigen Menschen nicht
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