Mozart - Sein Leben und Schaffen
nach der ruhigen Häuslichkeit.
Man sei in der ersten Arbeit, die sich getreu dem Märchen anschloß, bis zum Finale des ersten Aktes gekommen, als auf Marinellis Konkurrenztheater eine Dramatisierung desselben Märchens unter dem Titel »Caspar der Fagottist oder die Zauberzither« mit Musik des schnellfertigen Wenzel Müller erschienen sei und großen Zulauf gefunden habe. Dadurch sei Schikaneder gezwungen worden, seinem eigenen Werke eine andere Wendung zu geben. Er habe nun den Schluß ins Ernsthafte gewendet und die Gebräuche der Freimaurerei zu Hilfe genommen, um eine höhere Sensation zu bewirken.Dafür habe Schikaneder einen »Entwurf« seines Schauspielers Gieseke benutzt, den er beim Erfolg des Werkes als seine eigene Schöpfung ausgab. Gieseke habe darüber geschwiegen, weil er gefürchtet habe, des freimaurerischen Inhalts willen verfolgt zu werden.
Dieser letzte Grund ist von vornherein nicht stichhaltig, denn so gut wie Gieseke mußten doch auch Mozart und Schikaneder die Verfolgung fürchten. Aber auch der andere Grund für die Änderung hält nicht Stich, da es gar nichts Ungewöhnliches war, daß die beiden Konkurrenztheater dieselben Stücke brachten, weil sie sich so ja dann auch eher wechselseitig überbieten konnten. Da außerdem die ganze Erzählung mit Gieseke nur auf einer mündlich überlieferten Behauptung dieses in seinen übrigen Werken keineswegs bedeutenden Dichters beruht, braucht man sich daran auch nicht zu halten. Mir scheint, daß es Komorzynski vollkommen gelungen ist, die bis dahin recht dunkle Angelegenheit des Zauberflötentextes zu erklären. Ich benutze seine Darstellungen im folgenden und verbinde sie gleich mit der Inhaltsangabe des Werkes.
Vorauszuschicken sind einige einschlägige Bemerkungen aus der Wiener Theatergeschichte. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts hatte sich, anknüpfend an die Tätigkeit Stranitzkys und seiner Nachfolger, in Wien eine volkstümliche Dramatik entwickelt, in der man dem Schaubedürfnis der Menge möglichst entgegenkam. In diesen Maschinenkomödien, in denen nur einige Arien von vornherein feststanden, der Dialog aber zumeist extemporiert wurde, behandelte man gern exotische und zauberhafte Stoffe. Der Gang der Handlung war immer der, daß ein Held bei fremden Völkern oder im Reiche eines Zauberers gräßliche Abenteuer erlebte; die Hauptperson aber war eigentlich der Hanswurst, Bernardon genannt, der den Helden auf seinen Fahrten begleitete. 1781 war, wie schon erwähnt, mit Marinellis Gründung des Leopoldstädtischen Theaters der Hanswurst unter dem Namen Kasperl wieder aufgelebt. Mit ihm bearbeitete man die früheren Hanswurstiaden neu und übernahm als Form des Ganzen die des gewöhnlichen deutschen Singspiels, also Dialog mit eingestreuten Gesangstücken. Stofflich entwickelten sich hauptsächlich zweiGruppen, die man als exotische Prunkoper und als Zauberoper bezeichnen kann. In der ersten fehlt das Zauberelement. Hier wird ein Europäer in ferne Lande geführt und gewinnt dort die Liebe einer Eingeborenen. In der Regel sind es die Priester, die die Liebenden strafen wollen. Dennoch triumphiert auf irgendwelchen Wegen das Liebespaar. Diese Gattung Opern bot zwei Arten großer Schaustellung in der exotischen Landschaft und den großen Tempelszenen. In der Zauberoper waltete die Phantasie des Maschinisten noch uneingeschränkter. Hier erringt der Held, der irgendwie selber mit Zaubergaben ausgestattet ist, die von Zauberern gefangen gehaltene Geliebte. Die Entwicklung der Zauberkräfte bot zu großem Aufwand und allerlei unterhaltenden Bühneneffekten reiche Gelegenheit. Auch die italienische Oper hatte seit etwa 1750 die Märchenwelt in ihren Kreis gezogen und die Gelegenheit zu großer Prachtentfaltung ausgenutzt.
Das Leopoldstädtische Theater hatte mit diesen Stücken großen Erfolg. Es ist leicht begreiflich, daß der geschäftskundige Schikaneder hier einsetzte. So führte er denn auch bereits im September 1790 seine erste Zauberoper auf: »Der Stein der Weisen.« Die Stoffquelle hatte er in Wielands Märchensammlung »Dschinnistan« gefunden. Schon diese Oper enthält eine Feuer- und eine Wasserprobe. Es gab darin einen bösen und einen guten Genius, ein unschuldiges, zärtliches Liebespaar, dem eine Masse Hindernisse sich entgegentürmen, einen lustigen Naturmenschen mit einem entsprechenden Weibchen. Schikaneder entfaltete auch hier sein Geschick, alles mögliche, was sich irgendwo bewährt hatte, noch in das Werk
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