Mozart - Sein Leben und Schaffen
September auf den Weg.
Von dieser Reise haben wir wieder zahlreiche Briefe Mozarts an seine Frau, die in Verbindung mit den noch zahlreicheren Schreiben vom Sommer des nächsten Jahres an die auch da wieder in Baden zur Kur Weilende einen tiefen Einblick in seinen damaligen Gemütszustand gewähren. Bei aller äußeren, sofort in die Augen springenden Verschiedenheit der beiden Männer werde ich durch den Briefwechsel Mozarts mit seiner Frau stets an Richard Wagners Verhältnis zu seiner Minna erinnert. Beide Meister sehen wir bei schwerster äußerer Lebensnot in der gleichen Besorgnis für ihre kränkliche Frau. Es ist, als litten sie unter dieser Ungunst der Verhältnisse hauptsächlich, weil das ihnen verbundene Wesen dadurch nicht alle Bequemlichkeiten des Lebens genieße. Bei beiden haben wir dieselbe Zärtlichkeit des leicht sinnlich gefärbten Liebesausdruckes. Bei beiden die ängstliche Besorgnis und das freudige Empor ihrer schwungvollen Natur bei jedem günstigen Anzeichen, bei jedem guten Worte. Beide aber gleichen sich auch noch in einem anderen: Sie verlangen vom Leben nichts als die Möglichkeit zur Arbeit. »Nun bin ichfest entschlossen, meine Sachen hier so gut als möglich zu machen, und freue mich dann herzlich zu Dir. – Welch herrliches Leben wollen wir führen, ich will arbeiten – so arbeiten –« ruft Mozart am 29. September. Trotz der vielen Ungemütlichkeiten daheim fühlen beide sich nur wohl im eigenen Hause. Beide auch vermögen nur zu schaffen, wenn sie von der drückenden Sorge um den Alltag befreit sind, und so handelt es sich für beide darum, jemanden zu finden, der ihnen durch ein größeres Darlehen die freie Bewegung verschafft, damit sie jene Werke schaffen können, an deren späterem Gewinn sich diese Nothelfer dann schadlos halten mochten.
Von dem finanziellen Genie, mit dem Wagner sich immer wieder aus allen Nöten herauszuhelfen wußte, besaß Mozart allerdings nichts. So war es ihm auch nicht gelungen, mit Hilfe seiner Freunde ein ausreichendes Darlehen aufzubringen, und er scheint zu Wucherern die Zuflucht genommen zu haben, die ihm auf das Konto des Verlegers Hoffmeister zweitausend Gulden vorstrecken sollten, »die Hälfte in bar und den Rest in Tuch«. Er machte sich über die Schuld bei Hoffmeister weniger Sorgen, weil er diese durch Kompositionen abtragen konnte. Dieser Plan, über den fast alle Briefe von der Frankfurter Reise Andeutungen enthalten, scheint aber ebensowenig zustande gekommen zu sein wie ein anderes geheimnisvolles Geschäft, das im nächsten Sommer im Briefwechsel der Ehegatten einen breiten Raum beansprucht. Geschäftlich gelang jetzt überhaupt nichts mehr. Auch die Reise nach Frankfurt war nur ein unnützes Opfer. Freilich wurde er verehrt und man wollte ihn überall haben, aber »es ist alles Prahlerei, was man von den Reichsstädten macht – berühmt, bewundert und geliebt bin ich hier gewiß, übrigens sind die Leute aber hier noch mehr Pfennigfuchser als in Wien«. (8. Oktober.) In der Tat ist auch seine Akademie am 15. Oktober »von seiten der Ehre herrlich, aber in betreff des Geldes mager« ausgefallen. Aber Offenbach, Mainz, Mannheim und München, wo er mit den alten Freunden einige schöne Tage verlebte, ist er langsam zur Heimat zurückgereist, wo er gegen Mitte November ankam. Hier stand ihm bald der Abschied von Haydn bevor, den Salomon unter glänzendenBedingungen nach London holte. Auch mit Mozart schloß der Londoner Konzertunternehmer einen Vertrag, daß er nach Haydns Rückkehr nach London kommen solle. Der Tod hat das verhindert.
Wir treten nun in Mozarts letztes Lebensjahr. In diesem hat er eine Tätigkeit entfaltet wie nie zuvor. Vom Dezember 1790 ab, in dem er in seinem Verzeichnis das Quintett in D-dur anmerkt, bis Mitte Juni 1791 finden wir aufgezählt: drei Stücke für ein Orgelwerk in einer Uhr, das Klavierkonzert B-dur , drei deutsche Lieder, eine große Zahl von Tänzen für die Redoutenbälle, eine Baßarie, Klaviervariationen über das Lied »Ein Weib ist das herrlichste Ding«, das Quintett in Es-dur , Arbeiten für eine Oper von Sarti, ein Adagio für Harmonika, Violoncello und Blasinstrument, und das Ave verum corpus . Dieser wunderschöne kurze Chorsatz, gleich ausgezeichnet durch den Ausdruck kindlicher Hingabe und wundervollen Klang, entstand am 17. Juni in Baden für den dortigen Chorleiter Stoll als eine Art Gegenleistung für die vielen kleinen Gefälligkeiten, die er dem Mozartischen Ehepaare erwies.
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