Mozart - Sein Leben und Schaffen
die strahlende Fee aus einem anderen Märchen die Bezeichnung als »nächtliche, sternflammende Königin der Nacht, die auf ihrem goldenen Throne sitzt, undurchdringlich verschleiert, umgeben von ihren fackeltragenden Damen«, gewählt wurde. Der böse Zauberer, der ihr gleichzeitig mit ihrem mächtigen Sonnenkreis die Tochter geraubt hat, wird hier zu einem lüsternen Mohren Monostatos. Der Held erhält, wie im Oberon, einen lustigen Begleiter und wird durch ein Bildnis für diegeraubte Schöne in Flammen gesetzt. Auch die drei weisen Knaben, die ihn auf der Reise begleiten, finden sich in anderen Märchen. Die Zauberflöte entsprach dann gewissermaßen Oberons Horn, und auch der Knappe bekam ein Zaubermittel, das Glockenspiel. Der Inhalt des ersten Entwurfs wird also folgende Gestalt gehabt haben: Der zauberkräftige Mohr Monostatos hat der sternflammenden Königin der Nacht Tochter und Kleinod geraubt. Die Königin begeistert den Prinzen Tamino zur Rettung ihrer Tochter, deren Bildnis ihn zur Liebe entstammt, gibt ihm die Zauberflöte, dem ihn begleitenden Vogelfänger – auch dieser hat in den Wiener Hanswurstiaden eine lange Ahnenreihe – ein Glockenspiel. Die Entführung der Tochter wird durch den Mohren mit seinen Sklaven vereitelt, die Vereinigung der Liebenden aber doch durch die Hilfe der Zauberinstrumente erreicht. Der Zauberer sucht nun durch seine Mächte das Liebespaar zu bekämpfen, das alle Prüfungen überwindet und schließlich mit Hilfe der herbeigeeilten Königin der Nacht den Zauberer vernichtet.
Mozart hat seine Oper im Juli 1791 als im wesentlichen vollendet in sein Verzeichnis eingetragen. Jenes Stück des konkurrierenden Leopoldstädtischen Theaters, »Caspar der Fagottist«, das sich als eine in der Handlung fast sklavische Bearbeitung des Lulu-Märchens darstellt, ist am 8. Juni aufgeführt worden. Es liegt also eine sehr kurze Zeit zwischen dieser Aufführung und der Vollendung der Oper in ihrer endgültigen Gestalt. Es ist schon bemerkt worden, daß die Gleichheit des Stoffes kein Hindernis für die Vollendung des Werkes zu sein brauchte, denn schließlich waren alle diese Zauberopern nach einem Schema gearbeitet und unterschieden sich im wesentlichen nur durch die Namen und die Art der Abenteuer. Die letzteren aber sind doch wesentlich Sache des Maschinisten und hätten keine tief eingreifende Veränderung des Ganzen herbeizuführen brauchen. Es mag sein, daß die Aufführung der Oper im Konkurrenztheater den letzten Anstoß zur Umarbeitung gegeben hat, vor allen Dingen bei Schikaneder. Wir werden im einzelnen wohl niemals darüber Auskunft erhalten, was die Freunde bei ihrer intäglichem Verkehr betriebenen Arbeit endgültig zur Änderung veranlaßt hat. Aber wenn wir bedenken, wie Mozart seinerzeit den Stoff der »Entführung aus dem Serail« dramatisch beeinflußte, wie er in »Figaros Hochzeit« sich als hervorragender Dramatiker erwies, wie er im »Don Juan« das tiefe Problem erfaßte, so ist doch ganz sicher, daß er sich hier, wo ihm ein Freund den Stoff anbot, wo keinerlei höfische Rücksichten mitwirkten, noch mehr das Recht der Kritik an dem Stoff, der Gegenvorschläge für die Arbeit gewahrt hat. Und wenn wir nun bedenken, wie Mozarts gesamte Tätigkeit seinen Operntexten gegenüber immer eine Vertiefung des Problems herbeigeführt hatte, so liegt doch der Gedanke nicht fern, daß er auch in diesem Fall von vornherein danach getrachtet hat, diesem reichlich einfältigen und abgedroschenen Zauberopernstoffe tiefere Seiten abzugewinnen. Ich sehe mit voller Überzeugung als treibende Kraft in der Umänderung des Ganzen Mozart , dessen Wünsche und Drängen gegenüber Schikaneder dann durch die Tatsache unterstützt wurden, daß das Konkurrenztheater in der Bearbeitung des Märchens zuvorgekommen war.
Es ist nun nicht schwer, aus der ganzen Stoffwelt, in der sie sich bewegten, die Keime herauszuschälen, aus denen das neue Werk geworden ist. Manchmal sind es ja Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben. Es ist bereits oben gesagt, daß in diesen Opern sehr oft die Geister sich in zwei Welten scheiden, in die gute und die böse. Nun gehört die Fee im Lulumärchen zu den guten Geistern, aber – vermutlich durch den glänzenden Namen gepackt – hatte Schikaneder sie Königin der Nacht genannt, also als die Beherrscherin des dunklen Reiches. Da lag doch der Gedanke nahe, diesem Reiche der Nacht das Reich des Lichtes gegenüberzustellen . Es war im Jahre vorher in Wien am
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