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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Erzbischofs nachgingen, kann ruhig zugegeben werden. Aber es kommt uns ja auch gar nicht darauf an, die Kompositionen Mozarts selber etwa für den heutigen kirchlichen Gebrauch zu retten, sondern nur auf den Weg hinzuweisen, auf dem eine neue, wirklich künstlerisch lebendige katholische Kirchenmusik geschaffen werden könnte. Ihn hat Mozart zweifellos gewiesen. Und darin liegt seine große Bedeutung auf diesem Gebiete. Daß er uns außerdem in seinen letzten Lebensjahren im »Ave verum« und im »Requiem« wunderbare Zeugnisse einer kampflosen, gottgläubigen und gottfreudigen Religion gegeben hat, ist gerade in der deutschen Geistesgeschichte von außerordentlicher Bedeutung. Denn die Geschichte des deutschen religiösen Gefühls spricht gerade im 19. Jahrhundert fast immer von Kampf und Zweifel, vom Ringen um Gott, und kommt in diesem schweren Kampfe fast nie von der Erde weg, während Mozart den Blick in den Himmel erschließt.
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    Auf Mozarts übrige Kompositionen aus dieser Zeit soll hier nicht eingegangen werden. Wir haben seine Bedeutung für Instrumentalmusik und Oper später im Zusammenhang zu würdigen.
    Hinsichtlich der Oper sei aber doch schon an dieser Stelle ein Irrtum berichtigt, der sich bei der wahrheitsgetreuen biographischen Darstellung von Mozarts Entwicklung leicht einschleichen kann, der denn auch durch die musikgeschichtliche Wissenschaft lange unterstützt worden ist. Aus der Tatsache, daß Mozart als Knabe mit seinenOpern neben den bewährtesten Komponisten seiner Zeit zu bestehen vermochte, ist man vielfach zu einer Überschätzung dieser Arbeiten Mozarts gelangt. Dazu verhalf dann noch die Unterschätzung der gesamten italienischen Oper, die hauptsächlich dadurch verursacht war, daß eigentlich nur die spätere neapolitanische Oper zum Vergleich herangezogen wurde, daß überhaupt die italienische Opernliteratur des 18. Jahrhunderts unseren Musikhistorikern nur wenig bekannt war. Je mehr in neuerer Zeit diesem Übelstande abgeholfen worden ist, um so höher steigt die Schätzung der älteren italienischen Oper, um so deutlicher erkennt man, daß Mozarts dieser Richtung angehörige Werke keineswegs den Gipfel dieser Gattung bedeuten. Er war dazu auch viel zu jung, und es ist erstaunlich genug, daß er sich der formalen Seite dieser ganzen Kunst in so erstaunlicher Weise zu bemächtigen vermochte. Auch für die herrlichen Meisterwerke Mozarts erkennen wir aus dieser Betrachtung der italienischen Oper – für den vorliegenden Zusammenhang bietet sie meisterhaft Hermann Kretzschmars Abhandlung »Mozart in der Geschichte der Oper« (Jahrbuch der Musikbibl. Peters 1905) – daß sie nicht so außer allem Vergleich stehen, wie man das oft angenommen hat. Wir dürfen auch hier ruhig auf Raffael hinweisen und wollen uns daran erinnern, daß die Spitze einer Pyramide zwar der höchste Punkt ist, daß ihr aber andere Stellen des riesenhaften Bauwerks ganz naherücken. Man kann für die wunderbare Melodiebildung Mozarts zahlreiche Seitenstücke aus den Werken italienischer Komponisten heranziehen. Er selber hat auch keineswegs so verächtlich auf diese hinabgeschaut wie viele seiner Biographen.
    Trotzdem ist Mozarts Stellung in dieser Opernentwicklung einzigartig, und zwar auch hier dank seinem wunderbar tiefen Empfinden, dank der einzigartigen Liebefähigkeit seiner Natur. Durch diese Liebefähigkeit wurde Mozart auch zum Herzenskenner, zum Herzenskündiger. So seltsam es im ersten Augenblicke klingen mag, es ist doch Tatsache, daß er eine Shakespeare-Natur war. Und zwar shakespearisch rein in der Musik. Nur aus einer solchen Natur aber vermag Musik dramatisch zu arbeiten, nur für eine solche Naturentwickelt sich das eigentlich Dramatische innerhalb der Musik . Bislang war auch in den vollendetsten italienischen Opern, ebenso bei Gluck, die Musik zum Drama hinzugetreten. Das Höchste, was die Musik in dieser Richtung erreicht hatte, war die Fähigkeit, zu charakterisieren: Situationen, einzelne Worte, Charaktere. Aber sie trat an etwas Fertiges heran; sie schuf nicht erst mit ihren eigenen Mitteln Menschen und Geschehnisse. Erst durch Mozart gewann sie die Kraft, zu individualisieren . Da die Musik die Sprache des Gefühls ist, muß sie nicht nur die verschiedenen Gefühle, sondern auch die verschiedenen Gefühlsweisen ausdrücken können. Die Darstellung dieser Fühlweise, der Empfindungsweise, der Gesinnung aber bedeutet Offenbarung des inneren Menschen . Und das ist echte Musikdramatik,

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