Mozart - Sein Leben und Schaffen
alle Religion, und so das ganze Haus. Es ist ja genug gesagt, daß seine Tochter Mätresse war. Der Ramm ist ein braver Mensch, aber ein Libertin. Ich kenne mich, ich weiß, daß ich so viel Religion habe, daß ich gewiß niemals etwas tun werde, was ich nicht imstande wäre, vor der ganzen Welt zu tun ; aber nur der Gedanke allein, nur auf der Reise mit Leuten in Gesellschaft zu sein, deren Denkungsart sehr von der meinigen (und aller ehrlichen Leute ihrer) unterschieden ist, schreckt mich; übrigens können sie tun, was sie tun. Ich habe das Herz nicht, mit ihnen zu reisen, ich hätte keine vergnügte Stunde, ich wüßte nicht, was ich reden sollte; denn mit einem Wort, ich habe kein rechtes Vertrauen auf sie. Freunde, die keine Religion haben, sind von keiner Dauer.«
Es war Wolfgang aber, trotzdem die immer nachgiebige Mutter in seinem Sinne geschrieben, mit der Aufgabe der Reise doch nicht wohl zumute. So suchte er seinen Entschluß am 8. Februar weiter zubegründen. »Die Hauptursache, warum ich mit den Leuten nicht nach Paris gehe, habe ich schon im vorigen Brief geschrieben. Die zweite ist, weil ich recht nachgedacht habe, was ich in Paris zu tun habe. Ich könnte mich mit nichts recht fortbringen als mit Skolaren, und zu der Arbeit bin ich nicht geboren. Ich habe hier ein lebendiges Beispiel. Ich hätte zwei Skolaren haben können; ich bin zu jedem dreimal gegangen, dann habe ich einen nicht angetroffen, mithin bin ich ausgeblieben. Aus Gefälligkeit will ich gern Lektion geben, besonders wenn ich sehe, daß eins Genie, Freude und Lust zum Lernen hat. Aber zu einer gewissen Stunde in ein Haus gehen müssen oder zu Haus auf einen warten müssen, das kann ich nicht, und sollte es mir noch so viel eintragen; das ist mir unmöglich, das lasse ich Leuten über, die selbst nichts können als Klavier spielen. Ich bin ein Komponist und bin zu einem Kapellmeister geboren; ich darf und kann mein Talent im Komponieren, welches mir der gütige Gott so reichlich gegeben hat (ich darf ohne Hochmut so sagen, denn ich fühle es nun mehr als jemals), nicht so vergraben, und das würde ich durch die vielen Skolaren; denn das ist ein sehr unruhiges Metier, ich wollte lieber sozusagen das Klavier als die Komposition negligieren. Denn das Klavier ist nur meine Nebensache, aber Gott sei Dank, eine sehr starke Nebensache . – Die dritte Ursache dann ist, weil ich nicht gewiß weiß, ob unser Freund Grimm zu Paris ist. Wenn der zu Paris ist, so kann ich noch allzeit auf dem Postwagen nachkommen, denn es geht ein charmanter Postwagen von hier über Straßburg nach Paris. Wir wären allzeit so gereist. Sie gehen auch so. Der Herr Wendling ist untröstlich, daß ich nicht mitgehe; ich glaube aber, daß die Sache mehr Interesse als Freundschaft ist. Ich habe ihm nebst der Ursache, die ich im letzten Brief geschrieben habe (nämlich, daß ich seit meiner Abwesenheit drei Briefe bekommen hätte), auch diese wegen den Skolaren gesagt und ihn gebeten, er möchte mir etwas Gewisses zuwege bringen, so würde ich, wie ich anders kann, mit Freuden nachkommen, absonderlich, wenn es eine Oper wäre.Das Opernschreiben steckt mir halt stark im Kopf, französisch lieber als deutsch, italienisch aber lieber als deutsch und französisch. Beim Wendling sind sie alle der Meinung, daß meine Komposition außerordentlich in Paris gefallen würde. Das ist gewiß, daß mir gar nicht bang wäre, denn ich kann so ziemlich, wie Sie wissen, aller Art und Stil von Kompositionen annehmen und nachahmen.«
Am 9. Februar hatte Wolfgang dann des Vaters Brief vom 5. erhalten, aus dem er ersah, wie große Bedeutung dieser der Pariser Reise zuerkannte. Da heißt es dann viel kleinlauter: »Wenn ich wüßte, daß es Sie sehr verdrießt, wenn ich nicht auch mit ihnen nach Paris bin, so würde es mich reuen, daß ich hier geblieben bin; ich hoffe es aber nicht. Der Weg nach Paris ist mir ja nicht vergraben.«
Inzwischen war – bei der etwa fünftägigen Beförderungsdauer – Wolfgangs erster Brief vom 4. Februar in des Vaters Hände gelangt und hatte eine geradezu niederschmetternde Wirkung auf den braven Mann ausgeübt. Eine so arge Enttäuschung die Änderung des Reiseplanes aber auch bedeutete, die tiefste Sorge machte ihm doch der Vorschlag, den der Sohn an die Stelle der alten wohl erwogenen Pläne setzte. Er wollte nämlich zunächst »ganz kommode« die bestellte Musik vollenden: »Unter dieser Zeit wird sich Herr Weber bemühen, sich wo auf Konzerte mit mir
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