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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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wegführen konnte, als trüge ihn die Luft davon.»
    «Wenn du ihm zu viel Punsch durch die Kehle gejagt hast, machte er einen erbärmlichen Eindruck», sagte Gieseke.
    Schikaneder ließ sich auf einen Stuhl am Tischende fallen. «Das räume ich ein», sagte er.
    «Erbärmlich?», fragte ich.
    «Unsere neue Oper wurde kurz vor Wolfgangs Ableben uraufgeführt», sagte der Impresario. «Sie ist ein sensationeller Erfolg. Wir haben bis spät in die Nacht in diesem Pavillon gefeiert. Wolfgang trank mehr als seine üblichen ein oder zwei Gläser. Er wurde recht mürrisch.»
    «Hat er vom Tod gesprochen?»
    Gieseke trat mit dem Absatz auf die Dielenbretter, aber als ich ihm einen Blick zuwarf, gab er Ruhe.
    «Vom Tod?», sagte Schikaneder. «Nein, er hat nur gesagt, dass er in seiner Jugend in den Palästen Europas gefeiert worden sei, er war der Liebling von Königen und Prinzen. Während er sich nun mühsam durchbeißen musste.»
    «Hat er sonst nichts gesagt?»
    «Wie sehr wir ihn auch neckten und mit ihm scherzten, er hat anschließend nur vor sich hin gemurmelt und ist in den Trübsinn verfallen, der viele von uns überkommt, wenn wir zu viel getrunken haben.»
    Gieseke ging im Dunkeln an der Wand auf und ab. Ich konnte erkennen, wie er seine bleichen Hände hinterm Rücken verschränkte und wieder löste.
    «In diesem Pavillon hat Ihr Bruder einen Großteil der
Zauberflöte
komponiert.» Schikaneder machte eine raumgreifende Geste, als würde er mir einen gewaltigen Saal zeigen. «Es stimmt, dass dies kein Palast ist. Aber hier hat er ein Werk geschaffen, das noch durch die Jahrhunderte erklingen und von Millionen beklatscht werden wird, wenn unsere Monarchen und Aristokraten nur noch verblichene Porträts an den fernsten Flurwänden ihrer Schlösser sein werden.»
    «Ich freue mich sehr darauf, in dieser Woche eine Vorstellung zu besuchen», sagte ich.
    Schikaneder verbeugte sich und lächelte zuvorkommend.
    «Wovon handelt die Oper? Ich habe in den Salzburger Tageblättern einiges gelesen, konnte mir darauf aber keinen rechten Reim machen», sagte ich.
    «Die Handlung verführt zu Fehldeutungen, das ist wohl wahr», sagte er. «Um ehrlich zu sein, Wolfgang hatte den ausdrücklichen Wunsch, eine Oper zu komponieren, die, wenn man so will, für eine bestimmte geheime Bruderschaft wirbt.»
    Giesekes Schritte wurden schwerer, schneller.
    Wieder die Freimaurer, dachte ich. Wolfgangs Notiz in meiner Tasche brannte an meiner Hüfte. Wie wichtig konnte ihm seine Mitgliedschaft gewesen sein? Was hätte er dafür riskiert? «Meine Schwägerin sagt, die Oper handele von einem jungen Prinzen und einer Prinzessin, die sich verlieben.»
    «Das natürlich auch. Mein Unternehmen ist für seine populären Romanzen berühmt. Und auch für seine Spezialeffekte. Im ersten Akt gibt es einen Kampf mit einem gewaltigen Drachen. Die Leute finden ihn höchst beeindruckend. Aber als ich den Text schrieb, zu dem Wolfgang dann die Musik komponierte, war er fest entschlossen, mit unserer Oper dem unberechtigten Verdacht, den der Kaiser gegenüber der Bruderschaft entwickelt hat, etwas entgegenzusetzen.»
    «Welchen Verdacht hegt denn der Kaiser?»
    Schikaneder rollte mit den Schultern und atmete tief durch. «Unser geliebter Kaiser meint offenbar, dass die Freimaurer der Monarchie gegenüber böse Absichten verfolgen.»
    «Aber warum denn?»
    «In Frankreich hat es eine Revolution gegeben, Madame. Die Schwester unseres Kaisers, Königin Marie Antoinette, wie die Franzosen sie nennen, steht seit sechs Monaten unter Arrest. Die Philosophie der Revolutionäre – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – ist dem, was die Freimaurer vertreten, recht ähnlich.»
    «Der Kaiser glaubt, dass die Freimaurer hier eine Revolution herbeiwünschen?»
    «Vielleicht. Heutzutage liefert jedes Geheimnis Verdachtsgründe.»
    «Geheimnisse? Welche Geheimnisse hüten denn die Freimaurer?»
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und grinste schief. «Nichts von so großem Interesse, wie man meinen könnte. Aber sie pflegen ihre Heimlichkeit mit Zeremonien zu begleiten, die vom Harmlosen bis zum – theatralisch Haarsträubenden reichen.»
    «Mit Gewalt?»
    «Mit der
Androhung von
Gewalt.» Er winkte ab. «Normalerweise handelt es sich nur um verschlüsselte Symbole, mit denen sie sich untereinander als Brüder zu erkennen geben. Sie zeichnen kleine Dreiecke oder schreiben sich gegenseitig auf Englisch. Derlei Dinge.»
    «Wolfgangs Englisch war

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