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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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schlecht.»
    «Er hat es erst sehr spät gelernt. Maestro Haydn befand sich auf einer lukrativen Konzertreise in London. Wolfgang hatte die Absicht, ihn im nächsten Jahr dorthin zu begleiten.»
    «Aber warum benutzen die Freimaurer denn Englisch?»
    «Der Freimaurerorden wurde ursprünglich in Schottland gegründet. Der Gebrauch des Englischen erinnert an diese frühe Tradition.»
    «Das scheint doch harmlos zu sein.»
    «Auf den Kaiser wirkt selbst solch ein unschuldiger Spaß so, als wollten die Freimaurer Geheimwissen verbergen. Englisch wird in Wien nur von wenigen Leuten gesprochen.»
    «Zieht der Kaiser aus seinem Verdacht Konsequenzen?»
    «Er ist so weit gegangen, die Gründung weiterer Freimaurerlogen zu untersagen.»
    Keine neuen Logen. Ich begriff ein wenig von Stadlers Wutüber
Die Grotte.
«Aber warum hat Wolfgang dann eine Oper über Freimaurerei komponiert?»
    Schikaneder schüttelte den Kopf. «Die Leute meinten manchmal, dass man Wolfgang nicht besonders ernst nehmen konnte. Weil sein Lachen etwas Manisches hatte, und wenn er sehr aufgeregt war, hopste und hüpfte er herum. Aber er hatte auch eine intellektuelle Ader. Er war ein großer Bewunderer der neuen Aufklärungsphilosophen – wegen ihres Glaubens, dass Vernunft, Gleichheit und der Geist der Humanität größer sind als die Autoritäten von Kirche und Königen. Infolgedessen lehnte Wolfgang Hierarchien ab. Er beurteilte jeden, reich oder arm, Mann oder Frau, ausschließlich nach seinen Fähigkeiten und seinem Charakter. Diese Ideale ließ er in
Die Zauberflöte
einfließen. Er wollte das wahre, schöne Antlitz der Bruderschaft der Freimaurer zeigen und nahm dabei das Risiko von – von Fehldeutungen in Kauf.»
    Während dieses Gesprächs über Verdächtigungen und Revolution kam ich mir sehr naiv vor. Es verstörte mich, dass mein Bruder es riskiert haben sollte, unseren Kaiser zu beleidigen. «Und trotzdem haben Sie mit ihm zusammen an der Oper gearbeitet.»
    «Wolfgang war entschlossen», sagte Schikaneder. «Ich schulde den Freimaurern weiß Gott nichts. Meine Loge war
Charles of the Three Keys
in Regensburg. Aber ich wurde ausgeschlossen.»
    «Warum?»
    «Wegen Unzucht», schnappte Gieseke. «Mit zwei Schauspielerinnen seiner Truppe.»
    Schikaneder lachte wehmütig, als erinnerte er sich an längst vergangene Freuden. «Ganz recht.»
    «Aber wie wirbt dann diese Oper für die besten Qualitäten der Freimaurerei, wie Sie es ausdrücken?», sagte ich.
    Er wedelte mit der Hand. «Symbole», sagte er. «Einige Symbole, sonst nichts.»
    Gieseke schnalzte mit der Zunge.
    Schikaneder warf einen finsteren Blick ins Dunkel, in dem der jüngere Mann auf und ab ging.
    Ich wunderte mich über ihr Schweigen. Es wog schwer von Dingen, über die sie sich gewiss unterhalten hätten, wäre ich nicht dabei gewesen.
Wollen Sie, dass wir alle so enden wie Wolfgang?,
hatte Stadler gesagt. Vielleicht bezog sich das «wir» auf die Männer, die seiner neuen Freimaurerloge beigetreten wären. «Könnte die Neigung meines Bruders zur Freimaurerei ihm gefährlich geworden sein?»
    Schikaneder riss vor Überraschung Mund und Augen weit auf, als würde ihm das, was ich meinte, erst langsam dämmern. «Madame, Sie können unmöglich meinen – Ihr Bruder ist doch an einem – wie heißt es noch gleich? – an irgendeinem Fieber gestorben. Fieselfieber?»
    «Frieselfieber.»
    «Genau. Also, nein, nein, glauben Sie ja nicht, ich hätte zugelassen, dass sich ein so wertvoller Mensch um den Preis einer Oper in Gefahr begibt, ganz gleich wie unsterblich die Musik auch sei.»
    Das Licht der Laterne schien zu erlöschen, flackerte dann aber wieder auf. Schikaneder beobachtete es mit einem Anflug von Entsetzen. «Nein», sagte er lauter als nötig. «Daran ist nichts Unheimliches.»
    Gieseke trat vor und schlug mit den Händen auf den Tisch. Er beugte sich über Schikaneder. Auf seinem Gesicht glänzte Schweiß. «Das Rosenkreuz!», schrie er.
    Schikaneder griff nach der Hand des Mannes.
    «Fass mich nicht an.» Gieseke zog dicht neben mir einen Stuhl heran. Er roch nach ungewaschener Kleidung, und sein Atem stank wie der eines hechelnden Hundes. «Das fürstlicheRosenkreuz ist das Geheimsymbol einiger Freimaurerlogen. Es wird durch die Zahl achtzehn repräsentiert.»
    «Karl, Karl.» Schikaneders Stimme klang tief und kräftig, das Bühnenflüstern eines Baritons. Es fuhr mir in die Knochen.
    «Halt’s Maul», sagte Gieseke zu ihm. Er packte mich am Handgelenk. «In

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