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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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der
Zauberflöte
wird der Name des Hohenpriesters achtzehn Mal ausgesprochen und achtzehn Mal gesungen. Er spricht achtzehn Sätze und singt 180 Takte Musik. Wenn er die Bühne betritt, ist der ihn begleitende Refrain achtzehn Takte lang.»
    «Was bedeutet das?», fragte ich.
    Schikaneder blies die Wangen auf. «Unser Freund hier ist Schauspieler, aber auch ein Möchtegern-Wissenschaftler. Mir persönlich fehlt die Geduld für derartige Rechenspiele.»
    «Hören Sie, Frau.» Gieseke presste mein Handgelenk so stark, dass sich die Haut zusammendrückte. «Wolfgang starb achtzehn Tage nach der Premiere der
Zauberflöte.
Das stimmt. Man muss kein Wissenschaftler sein, um ein paar Wochen zu addieren. Und er starb in seinem sechsunddreißigsten Lebensjahr, was zweimal achtzehn sind, im Jahr 1791, dessen Quersumme achtzehn ergibt.»
    «Jetzt machst du dich aber lächerlich», sagte Schikaneder gut gelaunt. Er ging in die Ecke und schenkte sich Punsch nach.
    «Meine liebe Dame», sagte Gieseke, «das treibt mich zum Wahnsinn.»
    «Was du nicht sagst.» Schikaneder lächelte.
    «Ich habe den Text für die letzte Freimaurermusik Ihres Bruders geschrieben. Das Letzte, was er je für sie komponiert hat.»
    «Sie? Leugne nicht, dass du selbst einer von ihnen bist.» Schikaneder trank.
    «Das stimmt. Ich war ein Bruder in Wolfgangs Loge.»
    «Welches Stück haben Sie mit ihm geschrieben?», fragte ich.
    «Eine Freimaurerkantate zur Aufführung während einer unserer Logenzusammenkünfte», sagte Gieseke. «Das Manuskript umfasst achtzehn Seiten.
Achtzehn.»
    Er stand vom Stuhl auf und breitete beschwörend die Arme aus.
    Die Tür wurde geöffnet, und ein stämmiges Dienstmädchen brachte ein Tablett an den Tisch.
    Schikaneder hob einen Topfdeckel an. «Sieh mal, Karl, achtzehn Scheiben Kartoffeln, serviert von Johanna, die achtzehn Jahre alt ist, in einer Küche gekocht, die achtzehn Schritte von hier entfernt ist. Und sie verdient dreieinhalb Kreuzer am Tag, das macht vierundzwanzigeinhalb pro Woche, und das – ach, das stützt aber deine Theorie nicht so recht, nicht wahr?»
    Das Mädchen schaute verwirrt drein. Schikaneder entließ sie mit einer Handbewegung.
    Als die Tür wieder geschlossen war, hämmerte Gieseke mit der Faust auf den Tisch. «Wolfgangs Musik war erfüllt von den Geheimnissen der Freimaurer, für jedermann ersichtlich. Selbst für diejenigen, die der Bruderschaft nicht angehören. Er wurde vergiftet, weil er diese Dinge verraten hat.»
    «Die Zahl achtzehn?», fragte ich.
    Schikaneder löffelte Sauerkraut aus dem Topf. «Wenn solche Trivialitäten geheim gehalten werden, dann nur aus dem Grund, dass man sich lächerlich macht und geradezu wahnsinnig wirkt, wenn man sie enthüllt.»
    «Wolfgangs Körper wurde nach seinem Tod nicht steif und kalt. Das hast du mir selbst erzählt», sagte Gieseke zu ihm. «Genau wie im bekannten Fall des letzten Papstes, und
der
wurde vergiftet. Es müsste eine Untersuchung geben.»
    Schikaneder spielte mit den Haaren um seine Ohren und musterte den Schauspieler. Seine Stimme klang ruhig und durchdringend. «Wenn es eine Untersuchung gäbe, auf wen würde man dann deiner Meinung nach als Ersten kommen?»
    «Wie meinst du das?»
    «Du warst Mitglied in Wolfgangs Loge, Karl. Du bist dir ganz sicher, dass an seinem Tod etwas faul ist. Du hast mit ihm an der Kantate gearbeitet, die, wie du selbst sagst, magische achtzehn Seiten lang ist. Könnte sein, dass du da einiges zu erklären hättest.»
    «Ich habe nichts zu verbergen.»
    Schikaneder löffelte dicke braune Soße über zwei blasse Knödel. «Ja, nichts. Und du kannst dich auch nirgends verstecken. Nicht vor ihnen.»
    Er legte den Löffel wieder in die Soßenschüssel. Die beiden Männer starrten sich wortlos und angespannt an.
    «Vor ihnen?», sagte ich. «Wen meinen Sie damit?»
    Sie starrten sich immer noch an. Schikaneder schob Gieseke den Teller zu. «Du musst essen, damit du stark bleibst, Karl. Du bist nicht bei Sinnen», sagte er. «Vergiss nicht, dass du in dieser Woche noch Auftritte hast.»
    Gieseke wischte die Knödel auf den Fußboden. «Verhungern wäre ein schnellerer, besserer Tod als dies!», schrie er.
    Er stürzte hinaus in die Kälte.
    Die Tür schwang im Wind. Schikaneder zog sie zu, schob den Riegel vor und lehnte sich einen Moment an die Tür. Dann kam er wieder an den Tisch und füllte einen Teller für mich.
    «Ein schnellerer Tod?», sagte ich.
    «Schenken Sie Gieseke keine Beachtung. Wolfgangs

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