Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
bereits?»
    «Ich bin ihm gestern Abend in der Akademie begegnet.»
    «Ein Baron. Kein Wunder, dass Sie so verträumt waren, als Sie wiederkamen.»
    «Glaub bloß nicht, dass mich der Titel eines Barons beeindruckt, Mädchen», sagte ich. «Ich habe vor Königen und Kaiserinnen Klavier gespielt.»
    Sie nickte schwach. Ich begriff, dass sie dachte, Klavierspielen und Mittagessen seien zwei sehr verschiedene Dinge. Ich versiegelte die Nachricht und nahm ein paar Kreuzer aus meiner Börse.
    «Bring das nach unten. Sag dem Wirt, dass ein Laufbursche es in der kaiserlichen Bibliothek abliefern soll.»
    Lenerl knickste und verschwand.
    Ich strich mir durchs Haar, das mir blond übers Schlüsselbein fiel. Ich hob es mit beiden Händen hoch und hielt es mir über den Kopf.
    Ich wollte mich sogleich auf den Weg zum Baron machen. Ich griff nach der Tasche, in der Lenerl meine Haarbänder verpackt hatte, und schob das Frühstückstablett beiseite. Mein Magen war flau und gereizt. Auf Schokolade hatte ich keine Lust mehr.
    Bevor ich die Bändertasche wieder absetzte, bemerkte ich auf der Kommode noch einen Brief. Er hatte unter dem Tablett gelegen. Er war in der kleinen, schroffen Handschrift meines Mannes an mich adressiert.
    Ich riss ihn mit dem Daumen auf. Da er schon so früh eingetroffen war, musste Berchtold ihn kaum zwei Tage nach meiner Abreise geschrieben haben. Ich las die erste Zeile, war jedoch so unkonzentriert, dass ich ihren Sinn nicht erfasste. Ich zog es vor, im Augenblick nicht darüber nachzudenken, warum das so war. Ich begann noch einmal von vorn.
    Meine liebe Dame,
    Madame, ich hoffe, Sie sind bei guter Gesundheit in Wien eingetroffen und haben der Witwe Ihres Bruders Ihre Aufwartung gemacht. Seien Sie versichert, dass Ihre und meine Kinder Ihre baldige Rückkehr wünschen und Sie in einem Zustand lärmender Aufregung erwarten, diebei Ausübung meines Amts und meiner Pflichten höchst störend ist. Ich hoffe sehr, dass sich der ursprüngliche Zweck Ihrer Reise nach Wien schnell erledigt hat. Natürlich kommen derlei Dinge wie Mord unter den ruchlosen Elementen der Wiener Gesellschaft vor, doch gehe ich davon aus, dass Ihnen eine natürlichere Erklärung für das Dahinscheiden Ihres Bruders geliefert worden ist.
    Die Lebenslust, mit der ich erwacht war, schmolz dahin. Im Kommodenspiegel sah mein Gesicht so schuldbewusst aus wie das einer Katechismusschülerin, die von einer Nonne gescholten wird.
    Ihr Sohn,
fuhr der Brief fort,
vernachlässigt zwar nicht seine Klavierübungen, doch ist mir aufgefallen, dass sein kindliches Spiel enervierend ist, wenn meine beleidigten Ohren anschließend nicht durch die besseren Fähigkeiten seiner Mutter als Klavierspielerin besänftigt werden.
    Ich stellte mir den kleinen Leopold am Klavier vor und lächelte bei dem Gedanken, dass mein Mann unter der Musik des Jungen litt und dabei an mein Spiel dachte. Dass er sich mit Vergnügen daran erinnerte, wenn ich für ihn spielte, war das Äußerste an Intimität, was er sich schriftlich abringen konnte.
    Die Tür wurde geöffnet, und Lenerl trat ein. «Der Junge ist unterwegs zum Baron, Madame», sagte sie.
    Ich blickte auf den Brief meines Mannes und empfand einen Anflug von Reue, die Aufmerksamkeiten des Barons genossen zu haben. Ich dachte an meine Konfession und die Gelöbnisse, die ich vor Gott abgegeben hatte. Unserem Erlöser und der Jungfrau Maria war ich stets ergeben gewesen. An Karfreitagen pilgerte ich durch die Kirchen Salzburgs, betete in mehr als einem Dutzend und erklomm die Stufen zu St. Kajetan auf den Knien.
    Lenerl starrte den Brief in meiner Hand an. Schuldbewusst verzog sie das Gesicht.
    «Entschuldigen Sie, Madame, den Brief habe ich ganz vergessen.Er kam gestern Abend», sagte sie. «Sie sind erst so spät zurückgekommen und hatten so gute Laune. Die wollte ich Ihnen nicht verderben.»
    «Wieso sollte dieser Brief meine Stimmung trüben?»
    «Na ja, er ist doch von – Sie wissen schon.» Sie wrang ihre Schürze mit den Händen. «Nicht wahr? Von ihm?»
    Mit Dienern habe ich mein ganzes Leben lang Ärger gehabt. Mein lieber Vater sagte stets, ich wäre zu hart zu ihnen. Vielleicht war dem so, aber diesen Affront konnte ich nicht durchgehen lassen. Ich riss die Augen weit auf und schürzte die Lippen, um Lenerl zurechtzuweisen. Dann sah ich, dass sie Tränen in den Augen hatte, und sie tat mir leid.
    Denn andererseits hätte ich selbst vor einer unzufriedenen Herrin zittern können. Als Wolfgang Salzburg

Weitere Kostenlose Bücher