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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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einigen Jahren seinen ersten großen Erfolg mit der
Entführung aus dem Serail.
Erinnern Sie sich an die Oper?»
    «Natürlich.»
    «Ihrem Thema, der Verständigung zwischen den Nationen und Rassen, kann man nur applaudieren. Bis man durchschaut, dass es das Werk eines Mitglieds der Illuminaten war.»
    «Ach, kommen Sie schon», sagte Swieten.
    «Wessen Werk?», fragte ich.
    Swieten spöttelte wieder, doch Pergen sprach ihn so durchtrieben an, dass er schwieg. «Baron, Sie können die Absichten der Illuminaten sehr viel besser erklären als ich.»
    Swieten trat von einem Fuß auf den anderen, und zwar so wie ein Mann, den ich einmal auf einem Dorffest in einem Preiskampf gesehen hatte; er hielt sich noch aufrecht, um den nächsten Schlag zu parieren, wusste aber bereits, dass er ihn nicht mehr überstehen würde.
    «Bitte», sagte Pergen, «erklären Sie es der Dame doch.»
    «Es ist eine in Bayern gegründete Geheimgesellschaft. IhrZiel ist die Abschaffung religiöser und nationaler Vorurteile.» Swieten hatte sich wieder gefangen und wandte sich Pergen zu. «Des Hasses, der von Priestern und Regierungsministern geschürt wird.»
    «Sie mögen das als religiöse Animositäten und nationale Feindschaften bezeichnen. Ich nenne es einfach Religion und Nationen, die niemals gestürzt werden dürfen», sagte Pergen.
    Constanze machte einen kleinen Schritt auf den Grafen zu. «Wolfgang hatte nichts gegen die Religion, und er liebte seinen Kaiser.»
    «Er hat die Hauptfigur in dieser gefährlichen Illuminatenoper Konstanze genannt, nicht wahr?», sagte Pergen. «Glauben Sie ja nicht, dass ich mich durch die Änderung eines Anfangsbuchstabens täuschen lasse, Madame.»
    Constanze rang nach Luft und schwankte auf ihren Absätzen.
    «Sie gehen zu weit, mein Herr. Sie können doch nicht die Frau des Maestros verdächtigen», sagte Swieten. «Die Illuminaten sind, wie alle Freimaurer, Männer.»
    Pergen zuckte mit den Schultern. «Zumindest waren Maestro Mozarts kleine Freimaurerkompositionen kein Bestandteil des heutigen Programms. Ich ziehe die Musik vor, die er unter dem Einfluss einer natürlichen Furcht geschrieben hat.»
    Wieder Wolfgangs Furcht. «Was hat ihn denn zu derart grausigen Emotionen inspiriert, mein Herr?», sagte ich.
    «Tod und Jüngstes Gericht. Ich war vor einigen Tagen in der St. Michaels-Kirche anlässlich des Gedenkgottesdienstes für Maestro Mozart.»
    Swieten stützte Constanze am Ellbogen. Sie schien einer Ohnmacht nahe. «Wir haben dort Wolfgangs Requiem aufgeführt», sagte er zu mir. «Er hat bis zum letzten Atemzug daran gearbeitet.»
    «Eine wunderbare Komposition. Sie wurde von der Ehrfurchtgebietenden Majestät Gottes inspiriert», sagte Pergen. «Das war größere Musik als das läppische Genörgel erbärmlicher Diener in einer verachtenswerten Farce von einer Oper.»
    «Waren Sie in der Kirche, um die Musik zu hören, oder haben Sie Ihre Toten besucht?» Swieten richtete sich zu voller Höhe auf und zuckte mit den Nasenflügeln.
    «Es ist richtig, dass die Gruft der Familie Pergen sich im Gang von St. Michael befindet.» Pergen nahm eine weitere Prise Tabak. «Aber ich habe keinen Anlass, sie zu besuchen. Die Toten sind immer bei uns.»
    «In der Tat.» Swieten zog eine sarkastische, ungeduldige Grimasse.
    «Ich sehe sie sogar jetzt unter uns wandeln. Manchmal fällt es mir schwer, zwischen einem Lebenden und einem Geist zu unterscheiden.» Pergen streckte die Hand aus, um über die Stickerei auf Swietens silbergrauem Rock zu streichen. «Bis ich ihn berühre.»
    Constanze knickte in den Knien ein und brach in Swietens Armen zusammen. Während des Aufhebens, das um ihre Wiederbelebung gemacht wurde, verbeugte sich Pergen tief vor mir. Er trat mit dem linken Fuß zurück, gestikulierte mit der Hand und neigte sich weit übers rechte Knie vor. Sein ausgestrecktes Bein schien sich im Seidenstrumpf nach innen zu drehen, so dass er wie ein Lakai auf einer satirischen Zeichnung aussah.
    Gemessenen Schritts schlenderte er von dannen.
    Wir gingen die Treppe der Akademie hinunter und warteten am Kohlebecken, während die Kutschen vorfuhren und die Leute in die Nacht davontrugen. Swieten bestieg seine Kutsche und grüßte mich, indem er gegen seine Hutkrempe tippte. Nach seiner Begegnung mit dem Polizeiminister war Lichnowsky so blass, dass er im Inneren seiner Kutsche wieeine dünne Mondsichel zu leuchten schien. Stadler verschwand wortlos.
    Wien schien um den Tod meines Bruders geweint zu haben.

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