Mozarts letzte Arie
zu a-Moll, das Wolfgang oft nutzte, um Trauer auszudrücken, während sie von der Entführung ihrer Tochter berichtete und Tamino anflehte, das Mädchen zu retten.
Von diesen tragischen Gefühlen gab es schon bald eine Erholung mit der derben Komik Schikaneders als der Vogelfänger Papageno und den entzückenden drei Knaben, junge Soprane, die in einer fliegenden Zauberbarke über die Bühne schaukelten.
Gieseke stapfte mit den anderen Priestern über die Bühne. Er hatte nur eine kleine Rolle, sprach seinen Text aber gut. Seine Stimme, die wie aus der Kehle gerissen geklungen hatte, als er vor mir in der Loge gestanden hatte, war geschmeidig und volltönend.
Im Finale des ersten Akts lugte er zwischen den Reihen der Priester am Bühnenrand hervor. Zufälligerweise beobachtete ich ihn in dem Moment, als der entsetzte Papageno die entführte Pamina fragte, was er dem sich nähernden Hohenpriester sagen sollte, um sich zu erklären. «Die Wahrheit! Die Wahrheit!», rief sie. «Wär sie auch Verbrechen!» Gieseke fuhr herum und machte zwei Schritte auf sie zu. Auf der bevölkerten Bühne blieb seine Bewegung vom Publikum unbemerkt. Aber das Mädchen, das den Part der Pamina sang, zuckte zusammen, als wäre sie in den Augen des vortretenden Schauspielers eine Bedrohung.
Die Pause begann. In meinem Kopf klang Wolfgangs Musik weiter. Ich empfand eine derart machtvolle Entzückung, dass ich am liebsten auf die Bühne gesprungen wäre, um zu tanzen.
Als Swieten aufstand, um sich auf den Weg zur kaiserlichen Gesellschaft zu begeben, ergriff ich seine Hand und drückte sie voller Freude. Er antwortete mit einem ähnlichen Druck seiner Finger. Die in sein Jackett eingewobenen Perlen funkelten wie Sterne.
Er ging nach unten, um die Adligen zu begrüßen, die sich um den Kaiser drängten. Als er zurückkam, stimmte sich das Orchester für den zweiten Akt ein.
Constanzes Schwester absolvierte die hohe Koloratur ihrer letzten Arie mit solcher Bravour, dass es eher wie ein Holzblasinstrument als eine menschliche Stimme klang. Schikaneder schlug seine Zauberglocken an, um seine Geliebte herbeizulocken, und sang mit ihr ein verspieltes Duett. Ich lächelte unter Tränen der Erleichterung.
Swieten zog ein Taschentuch aus dem Ärmel. Ich hielt es mir länger als nötig vors Gesicht, um meine Augen zu trocknen. Aus den Spitzen atmete ich den Duft seines Jasmincolognes ein.
26
Anfangs war Pamina der Zutritt zur Priesterschaft verwehrt worden, weil sie als schwache, schwatzhafte Frau verunglimpft wurde. Doch am Ende der Oper hatte sie mit ihrer Entschlossenheit und Rechtschaffenheit die Priester so für sich eingenommen, dass sie sie zusammen mit Tamino in den Kreis der Eingeweihten aufnahmen. Als der Vorhang fiel, wandte ich mich im Applaus an Swieten. «Die tiefsten Einsichten sind alle von Pamina formuliert worden.»
Er sog an seiner Oberlippe. «Ganz recht.»
Tamino und Pamina schlüpften durch den Vorhang und nahmen gemeinsam mit Schikaneder und seiner Vogelfängerbraut die Ovationen entgegen.
Die Tür unserer Loge wurde geöffnet. Stadler trat ein. Aus seinem Blick sprach Dringlichkeit, aber als er mich bemerkte, hielt er sich zurück.
Swieten drehte sich auf seinem Sitz um und sah den Klarinettisten an. «Stadler, guten Abend.»
Stadler strich sich mit der Hand übers kurz geschorene Haar und verbeugte sich vor mir. Er verharrte zögernd in der Tür.
«Das war eine wunderbare Aufführung, Stadler», sagte Swieten. «Finden Sie nicht auch?»
Erneutes Schweigen, bis Stadler schließlich stammelte: «Wirklich höchst erstaunlich.»
«Sie spricht machtvoll die Gefühle an», sagte ich.
«Wer?» Diesmal kam Stadlers Antwort rasch.
«Wolfgangs Oper.» Ich neigte den Kopf und wunderte mich über seine Nervosität.
Constanzes Schwester kam zu den anderen vier Sängern auf die Bühne. Das Publikum erhob sich von den Sitzen. Sie verneigte sich mit einem tiefen Knicks, senkte dabei den Kopf beinah bis zu den Bühnenbrettern und legte die Hand auf die Brust, als hätte ihr Auftritt sie mitgenommen und erschöpft.
Stadler setzte sich hinter Swieten auf einen vergoldeten Stuhl und rieb sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
In der ersten Reihe des Theaters applaudierte Kaiser Leopold zierlich, doch wie mir schien ohne Begeisterung.
«Könnte es sein, dass die Oper nicht die Zustimmung des Kaisers findet?», fragte ich.
Stadler beugte sich über die Schulter des Barons vor. Als er die Zurückhaltung im Beifall des Kaisers
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