Mozarts letzte Arie
geschrieben worden, direkt vor meinen Augen und doch unleserlich. Ich erhob mich voller Unruhe.
Hinter der Bühne ertönte ein lautes Krachen, als zerrisse ein schweres Seil.
Die Barke, aus der die drei Knaben Papageno ihren Rat zugesungen hatten, schaukelte über dem Proszenium. Während sie hin- und herschwang, ging ein Raunen durch das Publikum. Hoch über der Bühne hing ein Mann kopfüber aus dem Boot.
Aus der Barke tropfte etwas auf Schikaneders Schulter herab. Er wischte es sich von seinem Federkostüm.
Als die Barke zurückschwang, verlagerte sich der baumelnde Körper des Mannes. Er stürzte auf die Bühne. Schikaneder zog die schreiende Königin der Nacht aus dem Weg.
Der Körper lag verkrümmt auf der Bühne. Das weiße Gewand war mit Blut befleckt. Schikaneder hob den ausgestreckten Kopf des Mannes an.
«Mein Gott!», schrie er in dem durchdringenden Bariton, dem wir eben noch applaudiert hatten. «Es ist Gieseke. Er ist tot.»
In seiner Loge auf der anderen Seite des Theaters sprang Lichnowsky auf. Die schöne junge Frau wandte sich entsetzt ab und drückte ihr Gesicht an seine Taille. Er sah zu Swietens Plätzen hinüber. Der Baron starrte mit geballten Fäusten auf die Bühne. Lichnowsky verließ schnell seine Loge, und die schluchzende Frau eilte ihm nach.
27
Ich stieg die Treppe zu Jahns Kaffeehaus hinauf. Vor mir hörte ich das Klacken von Billardkugeln und zwei Stimmen. Eine sagte: «Gut gespielt, Prinz.» Die andere: «Reines Glück, Lichnowsky, Sie Schweinehund.»
Als ich das Treppenende erreichte, erblickte ich die hohe Gestalt Prinz Lichnowskys, der den Arm ausgestreckt hatte und jemandem die offene Hand hinhielt. Ein stämmiger Mann, gekleidet mit der modischen Schlichtheit englischen Stils, zog eine Brieftasche aus seiner Jacke und holte zwei Banknoten heraus. Er klatschte sie Lichnowsky in die Hand und zog eine Grimasse.
«Sie können von Glück sagen, Hoffmann, dass Sie einem niederen Stand angehören als ich», sagte der Prinz, als er das Geld einsteckte. «Sonst würde ich Genugtuung für Ihre Beleidigungen fordern.»
«Ich würde mich gern mit Ihnen schlagen. Wählen Sie Ihre Waffen.»
«Ich habe nicht die Absicht, Sie durch die Ehre eines Duells zu adeln. Aber hüten Sie lieber Ihre Zunge, oder ich verprügele Sie vor meinem Haus am Graben wie einen unverschämten Diener.»
Als der dritte Mann vom Tisch aufstand, sah ich, dass es Stadler war. Er schob sich zwischen die beiden anderen Männer, legte jedem eine Hand auf die Brust und lachte. «Ein Duell oder eine Prügelei würde keinem von Ihnen viel Ehre machen», sagte er.
Der Verlierer der Partie ließ sich auf ein Sofa fallen. Hoffmann winkte einem Mann mit weißer Schürze, der nickte und eine Kaffeekanne von einem Messingstövchen nahm.
Lichnowsky strich sich eine Prise Schnupftabak unter die Nase. «Es ist noch zu früh am Tag, als dass der Kaffee Sie so streitlustig gemacht haben könnte, Hoffmann», sagte er. «Normalerweise fordern Sie mich nicht vor dem Mittagessen zum Duell.»
«Die meisten Leute, die Sie für einen Halunken halten, gehören zu denen, die morgens lange schlafen, also gehört das Feld gewöhnlich bis Mittag mir.» Er deutete mit zitternder Hand auf mich. «Heute musste ich dem Andrang zuvorkommen.»
Der Prinz fuhr mit schockierter Miene auf dem Absatz herum. Als er mich sah, stieg ihm Zorn ins Gesicht, aber er riss sich zusammen. «Hoffmann, Sie beleidigen diese Dame.»
«Gewiss nicht vor Ihnen.»
«Es ist Madame de Mozart.»
«Wolfgangs Schwester?»
Die Kaffeekanne wurde gebracht. Der am Tisch sitzende Mann goss sich eine Tasse ein und versuchte, seine Beschämung zu verbergen. Stadler versteckte sich hinter einer Zeitung.
Lichnowsky nahm meine Hand. Er führte mich zu einem Tisch in einer Zimmerecke.
«Sie haben zu diesem Mann gesagt, dass Ihr Haus am Graben liegt, mein Prinz. Das Treffen der Freimaurerloge. Es wurde in Ihrem Haus abgehalten, nicht wahr?»
Er hielt sich die Hand vor den Mund, hustete und winkte dann mit zwei Fingern dem Mann mit der Schürze.
Das
Jahn
war eines der beliebtesten Kaffeehäuser Wiens, aber am Vormittag hatten es Lichnowskys Billardpartner für sich allein. Es war mit lauschigen mit rotem Samt gepolstertenSitzecken gemütlich möbliert. Neben dem Tresen hingen die neuesten Zeitungen in Holzhaltern. Die Luft war vom Aroma frisch gemahlenen Kaffees erfüllt.
Lichnowsky steckte sich eine lange Sevilla an. Sein Atem zitterte zwischen seinen Lippen, als er
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