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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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bemerkte, lief ein Zucken über seine Wange.
    Swieten ergriff Stadlers Handgelenk mit beiden Händen. «Lieber Stadler, ist etwas nicht in Ordnung?»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Offensichtlich haben Sie mich mit wichtigen Neuigkeiten aufgesucht. Lassen Sie sich von Madame de Mozarts Anwesenheit nicht abhalten. Ich kann Ihnen versichern, dass sie in alles, was ich weiß, eingeweiht ist.»
    «Über was?»
    «Kommen Sie schon.» Swieten beugte sich zu ihm vor. «Wolfgang. Sein Tod.»
    Auf der Bühne stimmten die Sänger ihre Zugaben an. Schikaneder begann mit einer pompösen Wiederholung seiner Eingangsarie
Der Vogelfänger bin ich ja.
    Der Beifall verklang, um dem Gesang zu lauschen, und Stadler redete leise. «Gieseke hat Informationen.»
    Swieten hob das Kinn, als sei der Duft unsichtbarer Speisen an ihm vorbeigezogen.
    «Er weiß, wer Wolfgang vergiftet hat», sagte Stadler. «Aber er hat Angst. Den Namen des Mörders will er nur Ihnen verraten. Er will Ihre Protektion.»
    Der Baron schüttelte den Kopf. «Gott steh ihm bei.»
    Er ging zur Tür. «Ich werde den armen Kerl suchen», sagte er zu Stadler. «Bleiben Sie bei Madame de Mozart.»
    Stadler protestierte, doch der Baron warf ihm einen warnenden Blick zu. «Lassen Sie sie bis zu meiner Rückkehr nicht allein», sagte er.
    Als die Tür zufiel, sank Stadler auf seinem Sitz zusammen.
    Applaus für Schikaneder. Dann trat Pamina für ihre Zugabe in die Bühnenmitte. Während das Orchester ihre Arie anstimmte, erinnerte ich mich an eine ihrer Zeilen aus dem zweiten Akt. «Eine Frau, die nicht Nacht noch Tod fürchtet, ist würdig eingeweiht zu werden», flüsterte ich.
    Stadler starrte mich mit zuckendem Unterkiefer an. Ich hatte plötzlich eine Vorstellung von den fehlenden Sätzen auf dem Blatt, das Wolfgang geschrieben hatte und das in meiner Rocktasche lag.
    «Die Grotte,
Herr Stadler», sagte ich. «Wolfgang hat Ihnen das Geheimnis dieser neuen Freimaurerloge anvertraut, nicht wahr?»
    «Er – ja doch.» Stadler sprach, als läge er in den letzten Zügen.
    «Den Aufsatz, in dem er seine Pläne für
Die Grotte
beschrieb, hat er nicht vollendet. Aber diese Oper führt den Plan so klar aus, als hätte er ihn in schnörkelloser Prosa niedergeschrieben.»
    Auf der Bühne verbeugte sich Pamina.
    «Wolfgang wollte Frauen den Zutritt zu seiner Loge gestatten», sagte ich. «Sehen Sie doch, wie diese Prinzessin geprüft und ihr Teilhabe an der Priesterschaft gewährt wird. Genau das wollte Wolfgang auch – den Frauen die gleichen Rechtewie Männern einräumen. Zweifellos verstand er das als die natürliche Entwicklung seiner Vorstellungen von Gleichheit, seines Glaubens an die neue Aufklärung. Trifft das zu, Herr Stadler?»
    Er nickte kaum wahrnehmbar, während die Königin der Nacht ihre Arie anstimmte. Rache, sang sie wieder, brenne in ihrem Herzen.
    «Aber seine Ideen waren gefährlich?», sagte ich.
    Stadler fuhr sich übers Gesicht, krümmte sich und rutschte auf dem Sitz hin und her. «Wir schwören schreckliche Eide, wenn wir unserer Bruderschaft beitreten. Denjenigen, die die Regeln missachten, drohen entsetzliche Strafen.»
    «Ich habe den Eid gehört.»
    «Sie haben also, als Sie …»
    «Wolfgang hat versucht, die Regel, die Frauen von den Freimaurern ausschließt, zu brechen. Er ist tot. Aber wer ist sonst noch in Gefahr, Herr Stadler?», sagte ich. «Wer sonst hatte noch mit der neuen Loge zu tun? Sie? Gieseke?»
    Er stöhnte zustimmend. «Auch Lichnowsky. Er hat Wolfgang bei der Gründung der neuen Loge unterstützt.»
    Ich fragte mich, warum sich Lichnowsky auf ein derart riskantes Unternehmen eingelassen hatte. Ich blickte zu den Plätzen des Prinzen im Theater. Die Frau, die mit den Händen Klavierspiel imitiert hatte, lehnte hingerissen mit dem Kopf am Rand der Loge. Lichnowskys Miene war so frei von Gefühlen, wie die ihre davon überströmt war.
    Die Zugaben der Hauptsänger waren vorbei. Die schweren, scharlachroten Vorhänge wurden aufgezogen. Das gesamte Ensemble erschien zwischen den klassischen Säulen des Bühnenbilds zu einem weiteren Vorhang. Unter den weiß gewandeten Priestern konnte ich Gieseke nicht entdecken.
    Die Logentür ging auf. Der Baron trat ein.
    «Gieseke?», fragte ich.
    «Keine Spur von ihm», sagte er. «Vielleicht kommt er, wenn ich hier auf ihn warte.»
    Gieseke hätte mir nur ein einziges Wort sagen müssen – den Namen des Schuldigen. Aber er war geflohen. Es war, als wäre die Identität des Mörders in Wasser

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