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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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Zustimmung folgte das allgemeine Schlürfen, als alle um den großen U-förmigen Tisch Versammelten gleichzeitig den ersten Schluck Kaffee tranken. Sie saßen in einem der Tagungsräume, die vom Konferenzflur abgingen, ungefähr über der Unterhausbibliothek gelegen und mit dem gleichen Blick auf die Themse. Die Holztäfelung und die Pugin-Tapete verliehen dem Raum etwas Vornehmes und Gediegenes.
    Nach einer angemessenen Pause sagte Sir Alec Douglas-Home: »Wie Sie wissen, sind wir hier, um kurz über den Abschied unseres vielgeprüften und stets bewährten Kollegen zu sprechen, Abgeordneter für Woodford und Alterspräsident des Hauses, Sir Winston Churchill.«
    Aller Augen richteten sich auf Churchill, der in einem grauwollenen Einreiher an einem Ende des Tisches saß. Er nahm zum Gruß die Zigarre aus dem Mund. Es war eine Romeo y Julieta, seine Lieblingsmarke, die er meistens zwischen den Zähnen klemmen hatte, ob angezündet oder nicht. Diese war angezündet. Grauer Rauch ringelte sich zur Decke empor.
    Douglas-Home fuhr fort: »Sir Winston wird das Unterhaus endgültig am siebenundzwanzigsten Juli verlassen, nach einer politischen Laufbahn, die sechzig Jahre umspannt.«
    »Vierundsechzig Jahre«, sagte Churchill.
    Douglas-HomenahmdieBerichtigungnickendzurKenntnis.»UndamTagdaraufwerdeichanderSpitzeeinerAbgeordnetendelegation,zuderunteranderemHaroldWilsonundJoGrimondgehören,SirWinstoneineResolutionübergeben,zuEhrenseinerbevorstehendenVerabschiedungindenRuhestandundalsAusdruckunsererDankbarkeitfürseinenherausragendenDienstamVaterland.DiePresseistinformiertundwirddarüberberichten.UndselbstverständlichrechnenwirmiteinersehrregenöffentlichenBeteiligung,wennunsdiesergroßeMannamsiebenundzwanzigstenverlässt.«
    Auf einen stechenden Blick von Churchill hin mäßigte er seinen Ton. »Es wird ein trauriger Tag für Großbritannien sein, wenn du gehst, Winston, ein trauriger Tag und ein historischer Tag, mit dem eine wahrhaft historische Ära in unserem Staat zu Ende geht, eine Ära, die uns immer im Gedächtnis bleiben wird.« Er fügte hinzu: »Ich kann mich rühmen, persönliche Erinnerungen an diese Ära zu haben, da unsere Pfade sich mehrfach gekreuzt und getroffen haben. In besonders guter Erinnerung ist mir meine Zeit während deiner zweiten Amtsperiode als Premierminister geblieben, in der ich Minister für schottische Angelegenheiten war.«
    »Ah ja«, die angekaute Zigarre kam heraus, »damals, als ich noch ein junger Hüpfer von siebenundsiebzig war.«
    »Nach deinen Lebensjahren magst du siebenundsiebzig gewesen sein, aber«, sagte Douglas-Home mit einem Lächeln, »nach deinem Auftreten niemals, wenn ich mich recht erinnere. Ich muss zugeben, dass ich mich manchmal frage, wo du deine Vitalität hergenommen hast. Und ich sage das«, ergänzte er scherzhaft, »zum einen als rüstiger Einundsechzigjähriger und zum andern, wie ich jedermann immer gern ins Gedächtnis rufe, als der einzige Premierminister, der einmal auf höchstem Niveau Cricket gespielt hat.« Douglas-Home war ein warmherziger Mann mit vornehmen Zügen und einer ungezwungenen Art.
    »Danke,Alec«,entgegneteChurchill.»Ja,dasisteinLob,dasmangernhört,zumalwennesvoneinemjungenSpitzensportlerkommt.«
    Douglas-Home lachte über die Bemerkung und sagte dann mit herzlicher Hochachtung: »Was du im Leben geleistet hast, ist wirklich außerordentlich, Winston. Wie du es selbst einmal ausgedrückt hast: Dir war, als würdest du an der Seite des Schicksals schreiten. Und dein Schicksal hast du erfüllt, daran gibt es keinen Zweifel. Du hast einen entscheidenden Posten eingenommen, einen Posten, den wohl kaum jemand anders mit derselben Entschlossenheit und Beharrlichkeit hätte besetzen können.«
    Bei diesen erhebenden Worten verspürten die anwesenden Politiker unter ihren dunklen Anzügen eine gewisse Gemütsbewegung. ZumgrößtenTeilverbargensiees,aber siekonntennichtumhin,diestämmige Gestalt vor ihnen eingehend zu betrachten. Sie wollten sich jedes Detail genau einprägen und merken.
    Die Fliege, wie immer ein gepunktetes Exemplar von Turnbull & Asser, war Churchill lästig, während er den Männern dankte. Er unterdrückte den Drang, sie sich vom Hals zu reißen und durch den Raum zu pfeffern. Er machte das hier nur ungern. Dem Abschied vom Parlament ins Auge zu sehen, fiel ihm schon schwer genug, aber die Aussicht, ganz in den Ruhestand zu treten, überforderte ihn im Moment noch, wühlte ihn emotional zu sehr auf. Sie peitschte das Herz

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