Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
Menschen, die ich wirklich liebe, und noch weniger, von denen ich viel halte. Je mehr ich von der Welt sehe, desto unzufriedener bin ich damit …
Stolz und Vorurteil
I n Scarsdale wohnte ich in einem Haus mit meiner Großmutter und meiner Mutter zusammen. Nachdem ich durch die Katastrophe mit Chris kein Geld mehr hatte und keinen Mitbewohner, um mir die Miete zu teilen, hatte ich mein Zuhause, die Wohnung ohne Lift im fünften Stock in der West Ninety-first Street, aufgeben müssen. »Aufgeben« ist vornehm formuliert. »Rausschmiss« trifft es besser. Trotzdem, dass ich jeden Morgen mit dem Zug nach Manhattan pendeln musste, störte mich nicht, schließlich war ich so aufgewachsen. Genialerweise hatte meine Familie für alle Fälle noch einen alten Wagen, einen schwarzen Chevy, der mir die Fahrt vom Bahnhof nach Hause erleichterte.
Nach den vielen Wintern war der Asphalt unserer Auffahrt uneben und rissig, aber wir hatten nie das Geld für einen neuen Belag. Die Reifen kamen wie üblich in den alten, tief eingegrabenen Fahrspuren zum Stehen, und ich schaltete den Motor ab und schaute geradeaus.
Ich war arbeitslos. Ich betrachtete das hellblaue Haus meiner Familie mit den weißen Fensterläden und Vorsprüngen. Ein hübsches kleines Haus, das dank meiner Großmutter sauber und ordentlich war. Was für eine Erleichterung, dass seine Existenz nicht von mir abhing. Es war durch den Fleiß und die Sparsamkeit meiner Großeltern schon abbezahlt. Meine Mundwinkel hoben sich unwillkürlich zu einem Lächeln. Unser Zuhause war nicht Mansfield Park, aber wenigstens hatte ich ein Dach über dem Kopf. Mit diesem fröhlichen Gedanken stieg ich aus dem Auto.
Ich öffnete die Haustür und warf meine Handtasche auf den Boden. Meine Mutter Iris saß auf dem Sofa und kontrollierte ihre Lottoscheine. Am Küchentisch saß meine Großmutter, die es vorzog, von allen Nana genannt zu werden (»Großmutter« klang zu alt), und nippte an einem Gin Tonic.
»Hallo, Liebes«, sagte Nana lächelnd.
»Hallo, Kate«, begrüßte Iris mich. »Wir haben ein Freilos gewonnen.«
Meine Mutter und meine Großmutter waren begeisterte Lottospielerinnen. Irgendetwas zu gewinnen, selbst ein Freilos, rechtfertigte ihre Leidenschaft.
»Wie war dein Tag?«, fragte Nana und blickte mich an, als spürte sie, dass mein Tag nicht so gut verlaufen war. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte, und beschloss, meine Situation erst einmal für mich zu behalten. Ich konnte immer noch jeden Morgen in die Stadt fahren, sie mussten nichts erfahren.
»Gut. Sieh mal, Nana, ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte ich und reichte ihr eine elegante goldene Puderdose, die ich aus dem Schminkschrank genommen hatte. Diesen speziellen Jobvorteil würde ich sehr vermissen: die kostenlosen Produktproben.
»Wofür ist das?«, fragte Iris eifersüchtig. »Warum bekommst du ein Geschenk?«
Iris hasste es, außen vor zu sein. Natürlich hatte ich auch für sie ein Geschenk, aber ihre kindische Reaktion machte jegliches Vergnügen zunichte, ihr etwas zu schenken. Iris’ Eifersuchtsanfälle waren legendär, und obwohl ich damit aufgewachsen war, konnte ich mich nicht daran gewöhnen. Es war ein Charakterzug, den wir alle ertrugen, abgesehen von meinem Vater, der es nicht mehr aushielt. Als ich vier Jahre alt war, hat er sich aus dem Staub gemacht, und seitdem haben wir nie wieder etwas von ihm gehört. Doch laut Nana und meiner älteren Schwester Ann hatte Iris genug Gründe für ihre Eifersucht gehabt: Sie hießen Debbie, Sandy und Suzie, nur als Beispiel. Offensichtlich konnte mein Vater jede rumkriegen, und das war das Problem.
»Danke, Liebes. Das habe ich dringend gebraucht.« Nana lächelte mich an, dabei sah man die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen. Sie ignorierte meine Mutter und berührte ihre Haut mit der frischen Puderquaste. »Das ist für meine Nase«, sagte sie.
»Du benutzt das doch gar nicht für deine Nase«, zischte Iris. »Du benutzt diesen Stick für die Grundierung.«
»Ich benutze das hier auch.« Nana drehte ihren Kopf hin und her und betrachtete ihr Spiegelbild in dem winzigen Spiegel. Ihre Falten gefielen ihr natürlich nicht, aber was sollte man sagen, bei einer agilen und mental fitten Dreiundneunzigjährigen? »Kannst du mir nicht etwas besorgen, das die Falten glättet?«
»Nicht ohne Chirurgie«, grinste ich. Dieses Gespräch führten wir immer wieder. Ich wurde wieder mal deutlich und sagte ihr, dass die winzigen, senkrechten
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