Mr. Fire und ich (Band 6)
Mutter überhäuft mich mit Fragen und bastelt sich ihre eigenen Antworten zurecht.
„War Daniel ein Gast im Hotel? War er allein? Bestimmt hat ihn eine ganze Horde von Dienstleuten begleitet!“
„Nein, Mama, nur Ray, sein Chauffeur, und Candice, seine Sekretärin.“
„Seine Sekretärin? Ist sie in ihn verliebt? Ist sie eifersüchtig auf dich?“
„Aber nein, ganz und gar nicht! Sie ist sehr sympathisch ...“
„Darf ich dir einen Rat geben, mein Schatz? Nimm dich in Acht vor Sekretärinnen!“, erklärt meine Mutter kategorisch.
„Meine Prinzessin, willst du uns nicht erklären, was gestern Abend passiert ist? Wer war der Geiselnehmer?“, fragt mein Vater mit ängstlicher Stimme.
Ich drehe mich zu ihm um. Als ich ihn ansehe, habe ich den Eindruck, dass er auf einen Schlag um zehn Jahre gealtert ist. Es scheint mir wichtiger, ihn zu beruhigen, als mich mit meiner Mutter zu zanken.
Ohne auf komplizierte Details einzugehen, erzähle ich ihnen die gesamte Geschichte. Sie hören mir zu, ohne mich zu unterbrechen, aber ich fühle genau, dass meine Mutter darauf brennt, mir weitere Fragen zu stellen. Sie stößt kleine Entsetzensschreie aus, als ich von den Schüssen erzähle. Am Ende meines Berichts ist mein Vater kreidebleich.
„Du solltest nach Hause kommen“, sagt er. „Das ist viel sicherer.“
„Papa, es besteht jetzt nicht mehr die geringste Gefahr.“
„Machst du Witze? Du fährst heute Nachmittag mit uns zurück.“
„Papa!“
„Jacques, Julia ist ein großes Mädchen. Außerdem wird Daniel bei ihr sein ...“
„Eben! Das hat ihr bisher nichts als Ärger eingebracht!“
Er hat nicht ganz unrecht ... Aber in diesem letzten Monat mit Daniel habe ich intensiver gelebt als in meinem gesamten restlichen Leben. Wie kann ich ihnen das begreiflich machen, ohne sie zu verletzen?
Meine Gedanken werden von einer schrillen Stimme unterbrochen:
„Daniel, wer sind diese Leute? Was haben die hier verloren?“
Diane Wietermann ist zurück, gefolgt von Daniel. Sie trägt den Arm in einer Schlinge und scheint blasser als sonst.
„Ich habe dich gefragt, wer diese Leute sind! Was machen die hier bei uns?“
„Mutter, ich möchte dir Jacques und Sylvie Belmont vorstellen, Julias Eltern.“
Mein Vater streckt Diane die Hand hin. Anstatt sie zu nehmen, mustert sie meine Eltern nur auf extrem unhöfliche Art und Weise von Kopf bis Fuß. Peinlich berührt verschränkt mein Vater die Hände hinterm Rücken. Die fragenden, verständnislosen Blicke der beiden schweifen von mir zu Daniel.
Was für eine Taktlosigkeit! Für wen hält sie sich? Ich hoffe, dass Daniel diesmal reagiert!
Dass ich nicht direkt einschreiten kann, macht mich rasend. Als sie sich anschickt, an meinen Eltern vorbeizugehen, ohne sie zu grüßen, sagt er zu ihr:
„Mutter, die Kugel hat dich in die Schulter getroffen, nicht in den Kopf. Also denke ich, dass deine guten Manieren noch intakt sein sollten.“
Ich sehe Daniel lächelnd an. Was für ein glücklicher Gesinnungswandel!
Meine Eltern lächeln zwar nicht, aber ich merke genau, dass sie die Situation eher amüsant als peinlich finden. Diane macht kehrt, wie ein Stier, der sich zum Angriff bereit macht. Ohne meine Eltern und mich eines Blickes zu würdigen, tritt sie ganz nah an Daniels Gesicht heran:
„Ich habe wohl nicht recht verstanden? Wie kannst du es wagen, so mit deiner Mutter zu sprechen?“
Aber Daniel lässt sich nicht beeindrucken:
„Mutter, ich möchte dir Julias Eltern vorstellen. Sie werden so lange in Sterenn Park bleiben, wie sie es wünschen. Was Julia betrifft, wage ich zu hoffen, dass du dich an ihre Anwesenheit gewöhnen wirst, denn sie wird oft hierherkommen, hoffe ich zumindest. Du musst verstehen, dass sich gewisse Dinge ändern werden.“
„Was willst du damit sagen?“
Meine Eltern und ich verfolgen diese ungewöhnliche Konfrontation schweigend mit. Dianes Augen funkeln gefährlich. In Gedanken bin ich ganz bei Daniel.
Hoffentlich bietet er ihr bis zuletzt die Stirn!
Er antwortet mit der ruhigen Stimme, die ich so gut von ihm kenne:
„Du scheinst dich wieder erholt zu haben, Mutter. Ich nehme an, dass du nach Paris zurückkehren wirst, und ich halte dich nicht zurück.“
Ein ebenso ungläubiges wie wütendes „Oh“ formt sich auf Dianes Lippen.
„Du ... du würdest deine eigene Mutter verjagen?“
„Wenn sie meinen Gästen nicht mehr Respekt entgegenbringt, ja. Nichtsdestoweniger führe ich das gerne auf das situationsbedingte
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