Mr. Joenes wundersame Reise
wisse, was am besten sei.
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In meinem Distrikt völlig allein und im Stich gelassen, erlitt ich einen Nervenzusammenbruch. Ich wurde nach Schweden zurückgeschickt, und dort dachte ich über all das nach, was geschehen war.
Mir kam es so vor, als hätten sich die Leute aus den Dörfern und die Medizinmänner, so sehr ich sie damals auch bekämpft hatte, am Ende doch irgendwie logisch und vernünftig verhalten. Sie waren vor meiner Naturwissenschaft und meinem Humanismus geflohen, weil sie dadurch nicht den geringsten Vorteil gehabt hatten. Im Gegenteil, meine Wissenschaft hatte ihnen sogar schlimmere Schmerzen und größere Schrecken beschert, und mein Humanismus hätte beinahe dazu geführt, daß ich närrischerweise versuchte, andere Kreaturen auszulöschen und damit das Gleichgewicht der Natur auf der Erde empfindlich zu stören.
Als sich das erkannte, verließ ich meine Heimat, floh sogar aus Europa und kam hierher. Nun fahre ich einen Lastwagen. Und wenn jemand jetzt zu mir in glühenden Worten über Wissenschaft und Humanismus und den Segen des Heiles redet, dann starre ich ihn an, als habe er den Verstand verloren.
Dies war die Geschichte, wie ich meinen Glauben an die Wissenschaft verlor, ein Gut, das ich mehr verehrte als reines Gold, ein Verlust, den ich jeden Tag meines Lebens aufs neue beklage.«
*
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Am Ende dieser Geschichte sagte der zweite Lastwagenfahrer: »Niemand will leugnen, daß Sie sehr viel Leid erlebt haben, Joenes, doch diese Rückschläge sind im Angesicht dessen, was mein Freund Ihnen erzählt hat, mehr oder weniger unbedeutend. Und das Leid meines Freundes ist noch geringer als mein eigenes. Denn ich bin der Un-glücklichste aller Menschen, und ich habe etwas verloren, viel wertvoller als Gold und wertvoller noch als die Wissenschaft, ein Verlust, den ich jeden Tag meines Lebens aufs neue beklage.«
Joenes bat den Mann, seine Geschichte zu erzählen. Und dies ist die Geschichte des zweiten Lastwagenfahrers.
DIE GESCHICHTE VOM EHRLICHEN
LASTWAGENFAHRER
Mein Name ist Ramon Delgado, und ich stamme aus dem Land Mexiko. Mein größter Stolz war immer, ein ehrlicher Mensch zu sein. Ich war ehrlich, weil die Gesetze des Landes es verlangten, welche mich aufforderten, so zu sein, und welche von den besten aller Männer niedergeschrieben worden waren, welche sie wiederum von den universel-len Prinzipien der Gerechtigkeit abgeleitet und sie mit Strafen gesichert hatten, so daß alle Menschen, und das nicht nur aus freiem Willen, diesen Gesetzen gehorchten.
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Das erschien mir nur rechtens, denn ich liebte die Gerechtigkeit und glaubte an sie und glaubte deshalb auch an die Gesetze, welche sich aus der Gerechtigkeit ableiten ließen, und an die Strafen, welche die Einhaltung der Gesetze gewährleisten sollten. Ich fühlte nicht nur, daß des Menschen Schöpfung und Ausübung der Gesetze eine gute Sache war, ich fühlte auch, daß es notwendig war. Denn erst durch die praktizierte Gerechtigkeit konnte es die Freiheit von der Tyrannei geben und ein Bewußtsein von Würde und Tugend.
Viele Jahre lang arbeitete ich in meinem Dorf, sparte ich mein Geld und führte ein ehrliches, aufrechtes Leben. Eines Tages bot man mir eine Stelle in der Hauptstadt an. Ich war sehr glücklich darüber, denn schon sehr lange hatte ich davon ge-träumt, einmal in die Stadt zu gehen, aus welcher die in meinem Land geübte Gerechtigkeit kommt.
Ich verwendete meine gesamten Ersparnisse, um ein altes Automobil zu erstehen, und fuhr in die Hauptstadt. Dort parkte ich vor dem Laden meines neuen Arbeitgebers, wo ich eine Parkuhr vorfand.
Ich ging in den Laden, um einen Peso für die Parkuhr zu holen. Als ich wieder nach draußen kam, wurde ich verhaftet.
Ich wurde einem Richter vorgeführt, welcher mich wegen Falschparkens, Diebstahls, Landstreicherei, Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses anklagte.
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Der Richter erklärte mich in allen Punkten für schuldig. Wegen Falschparkens, weil die Parkuhr abgelaufen war und ich kein neues Geldstück ein-geworfen hatte; wegen Diebstahls, weil ich einen Peso aus der Kasse meines Arbeitsgebers genommen hatte, um ihn in die Parkuhr zu stecken; wegen Landstreicherei, weil ich nur einen einzigen Peso in der Tasche hatte; wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, weil ich mit dem Polizisten eine Diskussion begonnen hatte; wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, weil ich geweint hatte, als man mich ins Gefängnis brachte.
Im
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