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Mr. Joenes wundersame Reise

Mr. Joenes wundersame Reise

Titel: Mr. Joenes wundersame Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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wirklich nicht mehr tut, mehr noch, daß man überhaupt nichts mehr tut, stehen nicht schlecht, da einem die Bullen beide Arme gebrochen haben.«
    »Otis hat ganz recht«, mischte sich einer der Franzosen ein. »Die Bewährung anzunehmen ist 74
    überaus gefährlich, und ich bin das lebende Beispiel dafür. Mein Name lautet Edmond Dantes. Viele Jahre sollte ich in dieser Institution verbringen, und dann bot man mir die Bewährung an. In der Unkenntnis und der Naivität meiner Jugend nahm ich das Angebot an. Doch als ich draußen war, erkannte ich plötzlich, daß all meine Freunde ja noch im Knast saßen und daß sich sogar meine Bücher-und meine Schallplattensammlung hier befanden.
    Außerdem hatte ich in meinem jugendlichen Ungestüm meinen liebsten Schatz, Kapo 43422231, zurückgelassen. Zu spät begriff ich, daß mein Leben eigentlich hier stattfand und daß ich für immer von der Wärme und Sicherheit dieser wundervollen Mauern aus Granit ausgeschlossen war.«
    »Und was haben Sie gemacht?« fragte ich.
    »Ich dachte immer noch, daß Kriminalität am Ende doch etwas einbringt«, sagte Dantes mit einem verschmitzten Lächeln. »Daher tötete ich einen Mann. Doch der Richter verlängerte einfach meine Bewährungsfrist, und die Polizisten brachen sämtliche Finger meiner rechten Hand. Es war in dieser Zeit, während meine Finger wieder zusam-menheilten, daß ich mich entschloß, irgendwie wieder in den Bau zu kommen.«
    »Das muß sehr schwierig gewesen sein«, sagte ich.
    Dantes nickte. »Es erforderte ein übermenschli-ches Maß an Geduld, denn ich verbrachte die näch-75
    sten zwanzig Jahre damit, zu versuchen, in dieses Gefängnis einzubrechen.«
    Die anderen Gefangenen schwiegen gespannt.
    Der alte Dantes fuhr fort:
    »Damals waren die Sicherheitsmaßnahmen noch weitaus strenger und effizienter als heute. Ein einfacher Sturm auf das Gefängnis, wie du es heute miterlebt hast, wäre damals völlig unmöglich gewesen. Deshalb grub ich ohne fremde Hilfe dreimal einen Tunnel unter das Gebäude und stieß dreimal auf Granitmauern, wodurch ich gezwungen wurde, meine Tunnelversuche von vorn zu beginnen.
    Einmal wäre ich fast im Innenhof gelandet, jedoch die Wärter entdeckten mich und gruben sich mir in einem Tunnel entgegen und zwangen mich zur Umkehr. Dann versuchte ich von einem Flugzeug aus mit dem Fallschirm abzuspringen, jedoch trieb eine Windböe mich hoffnungslos ab. Deshalb wurde auch das Gebot erlassen, das Flugzeuge das Ge-fängnis nie überfliegen dürften. Auf diese Weise bin ich sogar für einige Reformen in den Gefäng-nisbestimmungen verantwortlich.«
    »Aber wie sind Sie denn schließlich reingekom-men?« wollte ich wissen.
    Der alte Mann lächelte grimmig. »Nach vielen er-folglosen Jahren hatte ich eine Idee. Ich konnte einfach nicht glauben, daß eine solche einfache Idee zum Ziel führte, wo Genie und rohe Gewalt versagt hatten. Nichtsdestoweniger versuchte ich es.
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    Ich kehrte, verkleidet als außerordentlicher Agent ins Gefängnis zurück. Anfangs sträubten die Wärter sich, mich durchzulassen. Doch ich erzähl-te ihnen, daß die Regierung über ein neues Gesetz nachdächte, welches den Wärtern gleiche Rechte einräumen soll wie den Gefangenen. Sie ließen mich ein, und ich offenbarte ihnen, wer ich wirklich war.. Sie mußten mich bleiben lassen, und ein Mann erschien und schrieb meine Geschichte auf.
    Ich hoffe nur, daß er alles richtig mitbekommen hat.
    Seitdem haben die Wärter gewisse Maßnahme in die Wege geleitet, welche eine erfolgreiche Wiederholung meines Plans schier unmöglich machen. Doch ich glaube fest daran, daß mutige Männer sich für immer und alle Zeiten über die Hindernisse hinwegsetzen, welche die Gesellschaft zwischen dem Menschen und seinem angestreb-ten Ziel errichtet. So lange die Menschen konstant und beharrlich bei der Sache bleiben, wird es ihnen irgendwann gelingen, ebenfalls ins Gefängnis einzubrechen.«
    Alle Gefangenen schwiegen, als der alte Dantes geendet hafte. Schließlich fragte ich:
    »War Ihr Geliebter immer noch hier, als sie wieder einzogen?«
    Der alte Mann senkte den Blick, und Tränen liefen über seine Wangen. »Kapo 43422231 war drei Jahre vorher an Leberzirrhose gestorben. Nun ver-77
    bringe ich meine Zeit mit Gebeten und Meditatio-nen.«
    Die tragische Geschichte des alten Mannes über mannhaften Mut, Sehnsucht, Entschlossenheit und größtes Liebesleid überschattete die Zelle. Schweigend ließen wir uns zu unserer Abendmahlzeit

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