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Mr. Joenes wundersame Reise

Mr. Joenes wundersame Reise

Titel: Mr. Joenes wundersame Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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nieder, und es dauerte einige Stunden, ehe die Freunde wieder ihre gute Laune wiederfanden.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nachgedacht, daß mir schon der Kopf weh tat, was das für eine verrückte Sache sein mochte mit Leuten, die unbedingt ins Gefängnis wollten. Je intensiver ich dar-
    über nachdachte, desto verwirrter wurde ich. Also fragte ich vorsichtig meine Zellennachbarn, ob denen die Freiheit nicht mehr wichtig sei und ob sie nicht Sehnsucht hätten nach den Städten und den belebten Straßen und den blumenübersäten Fel-dern und den Wäldern.
    »Freiheit?« meinte Otis. »Was du meinst, ist eine Illusion von Freiheit, und das ist etwas ganz anderes. Die Städte, von denen du redest, sind voll von Grauen, Unsicherheit und Angst. Die Straßen sind allesamt Sackgassen, an deren Ende der Tod auf jeden wartet, der sich dorthin verirrt.«
    »Und diese mit Blumen bedeckten Felder und Wiesen und Wälder, die du erwähnt hast«, verriet der zweite Franzose mir, »sind noch viel schlimmer. Mein Name ist Rousseau, und in meiner Jugend habe ich ein paar läppische Bücher geschrie-78
    ben, völlig bar jeden Wissens und jeder Erfahrung, und ich widmete mich der Natur und redete davon, daß jeder Mensch Anspruch auf einen Platz in dieser Natur hätte. Doch später, als ich älter und reifer war, verließ ich heimlich meine Heimat und reiste durch diese Natur, von der ich mit soviel Zu-versicht geschrieben hatte.
    Ich mußte feststellen, wie grausam die Natur ist, wie schrecklich, und wie sehr sie den Menschen haßt. Ich entdeckte, daß die blumigen Wiesen kaum geeignet sind, darauf herumzulaufen, und für die Füße des Menschen schlimmer sind als das schlechteste Pflaster. Ich erfuhr, daß das Ge-treide, das der Mensch anbaute, weitestgehend aus unglücklichen Hybriden bestand, jeglicher Lebens-kraft beraubt, und daß diese Pflanzen allein durch den Menschen am Leben erhalten werden konnten, wenn dieser den Kampf gegen das wuchernde Un-kraut und andere Schädlinge aufnahm.
    In den Wäldern mußte ich die Erfahrung machen, daß die Bäume sich allein mit sich selbst beschäf-tigten und daß sämtliche Kreaturen vor mir davon-liefen. Ich stellte fest, daß es dort wunderschöne blaue Seen gab, welche das Auge jedes Menschen erfreuen würden, jedoch waren sie alle umgeben von dichtem Dornengestrüpp oder undurchdring-lichen Sümpfen. Und wenn man schließlich bis an ihre Ufer gelangt war, mußte man feststellen, daß das Wasser schmutzigbraun war.
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    Die Natur schenkt uns auch den Regen und die Dürre, die Hitze und Kälte; und sie geht auf Nummer sicher, indem der Regen die Lebensmittel des Menschen verfault, die Dürre sie austrocknet, während die Hitze des Menschen Haut verbrennt und die Kälte seine Glieder erfriert.
    Dies sind nur die geringeren Gefahren der Natur und überhaupt nicht mit den tödlichen Mächten der Ozeane zu vergleichen oder der gnadenlo-sen Gleichgültigkeit der Berge, der Hinterhältigkeit der Sümpfe, der Öde der Wüsten und den Schrek-ken des Dschungels. Doch ich erfuhr auch, daß die Natur in ihrem Haß auf den Menschen den größ-
    ten Teil der Erdoberfläche mit Meeren, Gebirgen, Sümpfen, Wüsten und mit Dschungel bedeckt hat.
    Von den Erdbeben, den Wirbelstürmen, den Springfluten und ähnlichem, worin sich der Haß der Natur ausdrückt, brauche ich ja wohl gar nicht zu reden.
    Des Menschen Zuflucht vor diesen Schrecken sind einzig und allein die Städte, wo die Natur wenigstens teilweise völlig ausgeschlossen werden kann. Und es ist doch wohl klar, daß die abge-schlossenste Stadt letztendlich das Gefängnis ist.
    Zu dieser Schlußfolgerung bin ich nach all den Jahren der Studien gekommen. Und das ist auch der Grund, warum ich nun die Äußerungen meiner Jugend bedaure und sie für unsinnig halte und dafür glücklich an diesem Ort lebe, wo ich hoffentlich 80
    bis zum Ende meiner Tage nie mehr etwas Grünes zu Gesicht bekommen werde.«
    Danach wandte Rousseau sich ab und betrachtete sinnend eine stählerne Wand.
    »Wie du siehst, Delgado«, meinte Otis, »findet man die eigentliche Freiheit nur hier bei uns im Gefängnis.«
    Das wollte ich nicht einsehen, und ich hob hervor, daß wir doch eingeschlossen wären, was ja wohl dem Gedanken der Freiheit recht grundsätzlich widerspräche.
    »Aber wir sind doch alle auf dieser Erde irgendwie eingeschlossen«, hielt Dantes mir entgegen.
    »Der eine an einem geräumigen Ort, der andere an einem weniger geräumigen. Und wir alle sind

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