Mr. K: Thriller (German Edition)
fratzenhaft, und sie standen vornübergebeugt, als litten sie unter einer Form von zwergischer Skoliose.
»Was habt ihr Weißen bloß immer?«, fragte Roy.
»Wie bitte?«, sagte Al.
»Kein Schwarzer käme jemals auf die Idee, sich diese gruseligen kleinen Scheißer auf den Rasen zu stellen.«
»Und was ist mit dem da?«, fragte Herb und deutete auf einen.
Einer der Gartenzwerge war dunkelhäutig.
»Den hab ich nicht gesehen«, sagte Roy und schüttelte den Kopf. »Der existiert für mich nicht.«
Ich neigte meinen Kopf ein bisschen nach links, dann nach rechts. Die Zwerge schienen mir mit ihren Blicken zu folgen. Es sah unheimlich aus.
»Vielleicht hat sie jemand mit Kokain gefüllt«, sagte Tom. Er bückte sich und hob einen auf.
Sie waren nicht mit Kokain gefüllt. Sie waren genau das, wonach sie aussahen – hässliche Dekorationsartikel für Rasen und Garten. Al machte die Tür wieder zu und brachte ein neues Vorhängeschloss an.
»Sie schulden mir sieben fünfzig für das Ersatzschloss«, murmelte er. »Kubanische Zigarren, da lach ich doch.«
Zwanzig Minuten später waren wir alle auf dem Weg zurück zur Wache. Es gab noch über dreihundert Selbstlagerhallen, bei denen wir noch nicht angerufen hatten, und uns blieben weniger als zehn Stunden, bevor der Countdown auf Daltons Uhr zu Ende lief.
Einundzwanzig Jahre vorher
17. August 1989
Direkt über mir ertönte ein schriller Schmerzensschrei. Er dauerte etwas über eine Minute und wurde nur durch kurze Atempausen unterbrochen. Dann endete er abrupt.
Mein Gehirn ließ mich im Stich. Bilder extremer Folterszenen erschienen vor meinem geistigen Auge und ließen mich erstarren. Ich musste immer wieder an die Dia-Show während meiner Ausbildung an der Polizeiakademie denken, an die Gräueltaten, die Mr. K an jener Frau verübt hatte.
War das da oben womöglich Mr. K, der sich gerade an einem armen, wehrlosen Opfer austobte?
Vielleicht hatte das Schreien nur deshalb aufgehört, weil das Opfer jetzt einen Knebel im Mund hatte.
Oder vielleicht war das Opfer inzwischen tot. In diesem Fall käme ich als Nächstes dran.
Ich musste an Shell denken. Hatte er womöglich seine Finger im Spiel? Die Gelegenheit, mir irgendwelche Drogen in den Drink zu geben, hatte er gehabt.
Dann dachte ich an Herb. Hatte er irgendwie Wind davon bekommen, dass wir zu Buddy Guy’s gegangen waren? Vielleicht stand er draußen vor der Tür und würde jeden Augenblick hereinstürmen.
Aber vielleicht hatte er das auch schon getan. Der Schrei konnte durchaus von einem Mann gekommen sein.
Ich riss mich aus meiner Starre und ging zum nächsten Fenster. Die Glasbausteine waren so dick, dass man sie nurmit einem Hammer einschlagen konnte. Ich schlich zur Treppe und machte dabei einen weiten Bogen um den Kühlschrank. Ich kniete mich hin und versuchte das Brett auf der untersten Stufe zu lösen und anzuheben. Doch vergebens, es saß zu fest.
Ich spähte hinauf zur Tür am Ende der Treppe und fragte mich, ob sie womöglich unverschlossen war. Man hatte mir eine Droge mit starker Wirkung verabreicht – so stark, dass zwei Schluck genügt hatten, um mich flachzulegen. Aber vielleicht war mein Entführer es gewöhnt, dass seine Opfer länger bewusstlos blieben als ich, und hielt es nicht für notwendig, sie im Keller einzuschließen.
Dieser Gedanke gab mir neue Hoffnung und ich ging langsam die Treppe hinauf. Jedes Mal, wenn das Holz unter meinen Füßen knarzte, zuckte ich zusammen. Bei jedem Schritt musste ich mich neu entscheiden, ob ich schnell weitergehen oder umkehren sollte. Doch dann zwang ich mich zu langsamen und gleichmäßigen Schritten, um die Geräusche auf ein Minimum zu reduzieren. Als ich dann endlich oben ankam, zitterte ich und hatte Schweißausbrüche, und mein Mund war so trocken, dass ich nicht einmal schlucken konnte.
Ich drückte ein Ohr an die Tür und lauschte.
Stille.
Zitternd schloss sich meine Hand um den Türgriff. Ich versuchte ihn behutsam und vorsichtig zu drehen …
… und er ließ sich sogar bewegen.
Ich musste mich mächtig zusammenreißen, um nicht gleich die Tür aufzustoßen und zu rennen, als sei der Teufel hinter mir her. Ich trug keine Kleider am Leib und hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, wie spät es war oder wer mich in seinerGewalt hatte. Am ehesten hätte ich eine Chance, wenn ich meine Waffe oder ein Telefon fand.
Ich biss die Zähne zusammen und öffnete langsam die Tür. Dabei hoffte ich inständig, dass die Scharniere geölt
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