Mr. K: Thriller (German Edition)
werden wir uns ein wenig …«
Ehe Phin seinen Satz zu Ende sprechen konnte, sprang Victor Brotsky von der Pritsche auf und warf sich mit seinen hundertzwanzig Kilo auf ihn, sodass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel.
Drei Jahre vorher
10. August 2007
Dalton hatte gewonnen.
Wir hatten uns die Nacht um die Ohren geschlagen und bei sämtlichen Selbstlagerhallen angerufen, die rund um die Uhr offen hatten. Als wir sie alle durch hatten, kam Herb auf die Idee, sich bei Hotels nach Gästen zu erkundigen, die in Zimmern mit der Nummer 515 wohnten.
Als Daltons Flug nach Kap Verde abging, hingen wir immer noch am Telefon.
In den Pausen zwischen den Anrufen hatten Herb, Tom, Roy und ich uns verschiedene Strategien überlegt, wie wir Dalton hinhalten konnten. Ihn auf dem Weg zum Flughafen in einen Autounfall verwickeln. Die Fluggesellschaft warnen, dass er ein Terrorist war und eine Bombe bei sich hatte. Ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand festnehmen.
Aber letztendlich unternahmen wir nichts dergleichen. So sehr mir mein Gefühl auch sagte, dass es sich bei Dalton tatsächlich um Mr. K handelte – ich konnte es nicht beweisen. Es war meine Aufgabe als Polizistin, für Recht und Ordnung zu sorgen. Während der letzten beiden Tage war ich dabei kläglich gescheitert. Abgesehen davon, dass mir ein Bösewicht durch die Lappen gegangen war, hatte ich bei der Jagd auf ihn eine Menge Dinge getan, auf die ich nicht gerade stolz sein konnte.
Der Zweck heiligte nicht die Mittel, denn es hatte keinen Zweck.
Ich verabschiedete mich von Herb und machte mich auf den Heimweg, in der Hoffnung, ein wenig Schlaf zu bekommen, was ich jedoch bezweifelte. Plötzlich bekam ich auf meinem Handy eine SMS. Sie war von Dalton.
SIE HÄTTEN ES SCHAFFEN KÖNNEN, JACK, WENN SIE NUR ZU SIS GEFAHREN WÄREN …
Ich starrte auf das Wort SIS – damit konnte er nur seine Schwester meinen – und auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Am liebsten hätte ich mir auf der Stelle die Kugel gegeben, weil ich das Naheliegende nicht gesehen hatte. Ich hatte gedacht, dass Dalton auf die Rückseite des Fotos desJungen die Zahl 515 geschrieben hatte. Aber das stimmte nicht. Er hatte SIS geschrieben.
Ich fragte über Funk bei meiner Dienststelle nach, ob Dalton Verwandte in der näheren Umgebung hatte.
»Irgendein bestimmter Ort?«
, fragte die Dame am anderen Ende.
Ich dachte an das Foto von der Frau auf der Terrasse, das ich aus Daltons Wohnung hatte mitgehen lassen.
»Schaumburg«, sagte ich.
Drei Minuten später fuhr ich Richtung Golf Road, Ecke Bode Street in den nordwestlichen Vororten, wo ich bei Janice Dalton vorbeischauen wollte, der jüngeren Schwester von John Dalton. Unterwegs rief ich Herb an, und er versprach mir, mich dort zu treffen. Vielleicht wusste Janice etwas. Und vielleicht lebte der Junge noch. Obwohl ich ohne Blaulicht und Sirene fuhr, gab ich mächtig Gas und hoffte inständig, dass es noch einmal gut ging.
Gerade hatte ich die Ausfahrt zur Route 53 genommen, als ich einen Anruf aus dem Kriminallabor bekam.
»Lieutenant, Hajek hier. Mein Kumpel, der Foto-Experte, hat sich das Bild angeschaut und mir erklärt, was daran verändert worden ist. Es ist kein Originalfoto, sondern wurde nachträglich koloriert.«
»Erklären Sie mir das bitte genauer.«
»Heutzutage bieten viele Fotostudios Bilderneuerung an. Sie wissen schon – Kratzer, Risse, Knickstellen und verblichene Farben wieder in Ordnung bringen. Man kann auch nachträglich Farbe zu alten Schwarz-Weiß-Fotos hinzufügen. Genau das ist mit dem Bild von dem Jungen passiert. Es war Profi-Arbeit. Wir können wahrscheinlich herausfinden, wer das war.«
»Ich melde mich wieder bei Ihnen.«
Ich gelangte als Erste zu Janice Daltons Haus – es war dasselbe wie auf dem Bild, das in Daltons Flur an der Wand hing. Ich wartete nicht auf Herb, sondern klopfte gleich an die Tür.
Janice war älter als ich und hatte graue Haare. Die Lachfältchen in ihrem Gesicht hatten sich in tiefe Furchen verwandelt.
»Miss Dalton, ich bin Lieutenant Daniels vom Chicago Police Department. Kennen Sie diesen Jungen?«
Ich hielt ihr das Bild hin.
»Klar kenn ich den. Das ist mein Bruder John, als er noch ein Kind war. Stimmt irgendetwas nicht?«
Ich musste an etwas denken, das Dalton in der Lagerhalle zu mir gesagt hatte.
»Ich will damit nur sagen, dass wir nicht ewig hier sein können. Bei manchen dauert es Jahre, bis sie ihren Abgang machen, bei anderen wiederum nur
Weitere Kostenlose Bücher