Mr. K: Thriller (German Edition)
sich über alle Regeln hinwegsetzen. Aber im Innern deines Herzens bist und bleibst du Polizistin. Es liegt dir im Blut, ob du es willst oder nicht. Und weil du Polizistin bist, hältst du dich an die Regeln. Du kannst einfach nicht anders und das weißt du auch. Und deswegen musst du damit leben, dass die Guten manchmal verlieren.
Ich starrte in die Sonne. Sie schien so grell, dass mir die Augen wehtaten. Herb hatte natürlich recht, obwohl ich es hasste, dies einzugestehen. Am meisten hasste ich jedoch mich selbst. Wenn ich verdammt noch mal stärker wäre, könnte ich Dalton bis in sein kleines Inselparadies folgen und den Dreckskerl abmurksen.
Andererseits hätte ich mit einer stärkeren Persönlichkeit wahrscheinlich schon vor Jahren meinen Job bei der Polizei an den Nagel gehängt und eine Familie gegründet.
»Das mit dem Volllaufenlassen klingt im Moment gar nicht schlecht«, sagte ich. »Geht die erste Runde auf dich?«
»Selbstverständlich. Und denk dran, Jack, Typen wie Dalton hören nicht einfach auf und gehen in Rente. Ich wette ein Dutzend Donuts, dass wir noch von ihm hören werden.«
Ich starrte meinem Partner ins Gesicht und hoffte, dass er recht hatte. Wenn mir nämlich John Dalton alias Mr. K noch mal über den Weg laufen sollte, würde ich meine Chance nicht wieder vermasseln.
Heute
10. August 2010
Ich öffnete die Augen und starrte auf John Dalton alias Mr. K. Der Knebel steckte nicht mehr in meinem Mund, aber dafür waren meine Arme und Beine mit Lederriemen am Folterrad befestigt. Außerdem war meine Hüfte mit einem festgezurrten Leinengürtel auf der Sperrholzplatte fixiert.
»Schön, dass Sie bei Bewusstsein sind. Sie haben bestimmt lange auf diesen Augenblick gewartet. Ich übrigens auch.«
Dalton kramte ein paar Gegenstände aus seinem Beutel hervor und stellte sie vor mir auf den Boden. Einen Lötkolben. Ein Filetiermesser. Eine Packung Meersalz. Und zuletzt einen Vorschlaghammer. Den hob er und hielt ihn mir vors Gesicht.
»Was meinen Sie, Jack, sollen wir anfangen?«
Einundzwanzig Jahre vorher
17. August 1989
Ich wich auf allen vieren vor Victor Brotsky zurück, der mit einem Schlachtermesser bewaffnet vor mir stand. Sein nackter Körper war von Kopf bis Fuß mit Blut beschmiert, und an seinen verschwitzten, lockigen Haaren klebten menschliche Reste, die wohl von Shell stammten.
In meiner kopflosen, panischen Hast verhedderte ich mich in Shells Eingeweiden. Angewidert stieß ich die noch warmen Gedärme, die sich um meine Handgelenke schlangen, von mir weg. Ich kroch über seine Leiche und die Plastikplane hinweg zur Hintertür. Sie war ebenso wie die Haupteingangstür mit einem Bolzenschloss verriegelt.
»Na, wo willst du denn hin, du kleine Bullenschlampe? Vor Victor Brotsky gibt es kein Entrinnen. Mein Haus ist verriegelt und verrammelt.«
Ich packte einen Küchenstuhl, der in der Essnische an der Wand stand. Er war aus Aluminium und dünnem Pressspan und sah nicht besonders stabil aus. Ich schleuderte ihn Brotsky mit aller Kraft entgegen.
Der wehrte ihn mit einer Handbewegung ab, als würde er eine lästige Mücke verscheuchen. Ich schmiss den anderen Stuhl hinterher. Dann nahm ich den braunen Resopal-Tisch an den Beinen und hielt ihn wie einen Schild vor mich.
»Du bist ein Kämpfer«, sagte Brotsky. Er grinste und bleckte dabei seine gelblichen, schiefen Zähne. »Das gefällt mir, das macht mir Spaß. Ich bring Huren um und bekomm Geld dafür. Und jetztkann ich ‘ne hübsche Bullenschlampe umbringen. Dafür bekomm ich noch mehr Geld.«
Ich hatte zwar noch nie um mein Leben kämpfen müssen, aber ich besaß jede Menge Kampferfahrung. Ich hatte einen schwarzen Gürtel in Taekwondo und betrieb diese Kampfkunst seit meiner Jugend. Gegen einen Gegner anzutreten war mir nicht fremd – Sparring gehörte sogar zu meinen Stärken. Ich war Konfrontation gewöhnt und schreckte nicht davor zurück, auch dann nicht, wenn der Gegner größer und stärker war als ich.
Anstatt zu versuchen, meine Furcht unter Kontrolle zu halten, benutzte ich sie dazu, dass sie mir zusätzliche Kräfte verlieh. Als Brotsky auf die Plastikplane trat, ging ich zum Angriff über. Ich sprang über Shell hinweg, hob den Tisch an und stieß ihn gegen das Messer in Brotskys Hand. Damit hatte er nicht gerechnet. Er taumelte nach hinten, verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken. Ich glitt mit dem Tisch wie auf einem Surfbrett über ihn hinweg, entging nur knapp seiner Klinge und landete auf
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